Stefan Staindl

Altdöbern prüft Option eines Wechsels zu Großräschen

Altdöbern. Die Gemeindevertretung von Altdöbern hat in ihrer jüngsten Sitzung am 19. Februar mehrheitlich beschlossen, Gespräche über einen möglichen Wechsel zur Stadt Großräschen aufzunehmen. Damit würde sich die Gemeinde aus dem Amt Altdöbern lösen und ein Ortsteil der Seestadt werden.
Das Rathaus in der Gemeinde Altdöbern ist heute auch der Sitz der Amtsverwaltung des Amtes Altdöbern.

Das Rathaus in der Gemeinde Altdöbern ist heute auch der Sitz der Amtsverwaltung des Amtes Altdöbern.

Bild: Archiv/sts

Von den insgesamt 13 Mitgliedern der Gemeindevertretung waren elf anwesend. Neun sprachen sich für den vorliegenden Beschluss aus, zwei waren dagegen.

Wie Gemeinde-Bürgermeister Peter Winzer berichtet, beruht diese Entscheidung auf strategischen Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung und Verwaltung der Gemeinde Altdöbern. »Wir haben ein gutes Entwicklungspotential, stehen aber gleichzeitig vor großen Herausforderungen«, sagt er und spricht etwa über den Erhalt des Parks und Belebung des Schlosses gemeinsam mit der Schlösser GmbH, den Wiederaufbau des Schützenhauses, den Erhalt des Grundschulstandortes und die Entwicklung und Nutzbarmachung des Altdöberner Sees. »Die Erfahrung der letzten Jahrzehnte hat gezeigt, dass die Gemeinde trotz aller Bemühungen strukturell nicht in der Lage ist, eine stabile und genehmigungsfähige Haushaltsführung zu erreichen, so dass viele Fördermöglichkeiten im Rahmen des Strukturwandels mangels Eigenmitteln nicht genutzt werden können«, bringt Peter Winzer die finanzielle Lage der Gemeinde auf den Punkt. Eine zusätzliche Herausforderung für die Zukunft bestehe im Erhalt einer ausreichend leistungsfähigen Verwaltung im Amt. »Die zunehmende Komplexität kommunaler Verwaltungsaufgaben - etwa Digitalisierung und Wärmeplanung - stellt kleine Verwaltungen vor immer größere Aufgaben. Zugleich herrscht ein zunehmend harter Wettbewerb um Fachkräfte zwischen den öffentlichen Verwaltungen.«

Weniger Menschen

Nicht zuletzt habe die demografische Entwicklung in der Gemeinde und im Amt Altdöbern ihre Spuren hinterlassen. »Das Amt ist im Oktober 1992 mit rund 8.500 Einwohnern gestartet. Jetzt liegen wir bei knapp 5.500 Einwohner im Amt - haben also rund 35 Prozent an Einwohner verloren«, informiert Winzer. Die Geburtenzahlen in der Gemeinde selbst habe sich beinahe halbiert: »Früher lagen wir bei etwa 20 Geburten pro Jahr, 2023 waren es 14, und im vergangenen Jahr nur noch elf.«

Aktuell wohnen etwa 2.300 Menschen in der Gemeinde. Im Jahr 1995 waren es noch rund 3.400 Einwohner. Damit setzt sich der regionale Trend der vergangenen Jahre fort. Gab es im gesamten Landkreis Oberspreewald-Lausitz (OSL) im Jahr 2011 noch 814 Geburten, waren es im Jahr 2023 lediglich 609 Geburten. Lebten im gesamten Landkreis OSL im Jahr 1995 noch rund 157.000 Einwohner, sind es aktuell rund 108.000 Einwohner.

Klare Worte von Bürgern

Rund 120 Bürger verfolgten die Gemeindevertretersitzung - darunter auch Horst Bernstein, ehemaliger Bürgermeister der Gemeinde Altdöbern. Für ihn lasse die Beschlussvorlage viele Fragen offen. »Mir fehlt eine klare Strategie für unseren zukünftigen Weg. Wir müssen zunächst genau definieren, was wir selbst wollen, um dann einen durchdachten Vorschlag für die Zukunft zu entwickeln. Stattdessen haben wir bereits bestimmte Strukturen in Bewegung gesetzt und spalten jetzt das Amt – und das halte ich für problematisch«, sagt Bernstein.

Für Einwohner Ulrich Brauer bedeutet die Beschlussvorlage, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen: »Man hätte die Problematik doch zuerst mit den Einwohnern erläutern können.«

Marisa Stich kritisiert, dass der Beschluss ausschließlich auf die Stadt Großräschen ausgerichtet ist und keine Alternativen wie eine Orientierung zu den Gemeinden Neu-Seeland oder Luckaitztal oder sogar zur Stadt Calau berücksichtigt. »Wie kann zudem sichergestellt werden, dass nach der Eingemeindung unsere Schule, die Bibliothek oder das Freibad erhalten bleiben? Und was will Großräschen überhaupt mit einem zweiten See?«, fragt sie in die Runde.

Der Altdöberner Eckhard Hoika sieht die Situation nicht so dramatisch: »Unsere Gemeindevertretung versucht, eine bessere Lösung für unseren Ort zu finden und möchte lediglich erste Gespräche über unsere Zukunft führen.«

Auch Britta Struck, Erzieherin in der neuen Waldkita Altdöbern, teilt diese Ansicht: »Es sollen nur Gespräche geführt werden. Wir sollten abwarten, was sich daraus ergibt, und dann weitersehen.«

Chance für konstruktive Gespräche

Laut Ernst Mittermaier, Amtsleiter des Rechts- und Rechnungsprüfungsamts der OSL-Verwaltung, ist es legitim, darüber nachzudenken, wie es mit der Gemeinde Altdöbern weitergeht. »Die Gemeindevertreter haben aufgrund der Haushaltslage allen Anlass, sich Gedanken über die zukünftige Entwicklung zu machen. Die Beschlussvorlage der Gemeindevertretung ist rechtens – auch ohne Mitwirkung der Amtsverwaltung«, informiert Mittermaier. Er vertrat an dem Abend zusammen mit Dr. Susanne Ziegler, Dezernentin für Digitalisierung und Projektverantwortliche der Kreisverwaltung, den Landkreis als untere Kommunalaufsichtsbehörde. »Seit 13 Jahren arbeitet die Gemeinde Altdöbern mit einem Haushaltssicherungskonzept. Diese Zahlen kann man nicht wegdiskutieren. Die Initiative der Gemeindevertreter sollte man als Chance sehen und in einen konstruktiven Gesprächsprozess eintreten«, rät Ziegler.

Die beiden Landkreisvertreter informierten auch darüber, dass neben einer Eingemeindung in die Stadt Großräschen auch die Möglichkeit besteht, eine amtsfreie Gemeinde mit Ortsteilen zu bilden. Dafür wären mindestens 5.000 Einwohner erforderlich - so, wie bei einem Amt. Ohne die Gemeinde Altdöbern ist laut Mittermaier das Amt in seiner jetzigen Form nicht mehr überlebensfähig, da es unter dieser Marke fallen würde.

Kein Alleingang

Die Gemeindevertreter Matthias Lachmann, Karl-Heinz Grund, Denny Kott und Rolf Wünsche warben und argumentierten neben Bürgermeister Peter Winzer für den Vorstoß der Gemeindevertretung und bemühten sich, Vorbehalte abzubauen. »Wir wollen heute den Bürgermeister nur beauftragen, Gespräche aufzunehmen. Wir können mögliche Verhandlung eines Eingliederungsvertrages jederzeit wieder einstellen, wenn wir das Gefühl haben, dass es nicht passt«, sagt etwa Denny Kott und ergänzt: »Wir wollen als Gemeindevertretung keinen Alleingang vollziehen, sondern die Bürger sollen den Prozess begleiten.«

Bürger ins Boot holen

So steht es laut Bürgermeister Peter Winzer auch in der entsprechenden Beschlussvorlage. »Wir wollen in die Zukunft schauen und die Bürger dabei mitnehmen. Es soll eine Kern­arbeitsgruppe gegründet werden, zu der jeweils Akteure aus den unterschiedlichen Themen wie Feuerwehr, Schule oder Vereine dazustoßen, um mitzugestalten«, blickt Peter Winzer voraus. Ebenso sollen laut Beschlussvorlage offizielle Gespräche innerhalb des Amtes mit allen amtsangehörigen Gemeinden über die zukünftige Verwaltungsorganisation geführt und die zuständigen Kommunalaufsichtsbehörden – der Landkreis und das Ministerium des Innern Brandenburg – kontinuierlich in diesen Prozess einbezogen werden.

Wie Peter Winzer berichtet, ist bereits in der kommenden Woche ein erstes Treffen mit Großräschens Bürgermeister Thomas Zenker geplant.

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