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Müller/ Farrar

»Für Großenhain zu arbeiten, ist ein Privileg«

Großenhain. Allen Gerüchten zum Trotz sind die Informationen, dass Tilo Hönicke alle Ämter abgibt und seinen Dienst quittieren wird, wahr. Doch einen Skandal gibt es hinter der Geschichte nicht - im Gegenteil.

Tilo Hönicke an seinem Arbeitsplatz im Rathaus, vor dem Plan des Flugplatzgeländes.

Tilo Hönicke an seinem Arbeitsplatz im Rathaus, vor dem Plan des Flugplatzgeländes.

Bild: Müller

Wer nun aber den großen Skandal vermutet, wird enttäuscht: es läuft alles planmäßig und unspektakulär. Hönicke wird Ende September 2024 65 Jahre alt. Um der Verwaltung die nötige Zeit zur Neuorientierung und planvollen Koordination zu geben, stellte er schon vor Wochen bei Oberbürgermeister Dr. Sven Mißbach den Antrag auf Versetzung in den Ruhestand ab dem 1. Oktober 2024. Damit an diesem Tag nicht gleich zwei Lücken entstehen, entschloss er sich zu diesem frühen Schritt, denn er begleitet schon Jahrzehnte gleich zwei Posten im Rathaus: zum einen ist er Geschäftsbereichsleiter Bau und zum anderen fungiert er - mit dem Titel Bürgermeister - als 1. Beigeordneter des Oberbürgermeisters. »Ich fand damals, dass ich dem Stadtsäckel das Geld für die zweite Stelle ersparen wollte«, erklärt Hönicke und ergänzt: »Ob der Stadtrat das weiterhin so möchte, weiß ich nicht.« Die Verwaltung soll seiner Intention nach genügend Zeit für ein geordnetes Verfahren zur Neubesetzung bekommen, deshalb handelte er schon jetzt.

 

Je länger man aber mit Tilo Hönicke spricht, umso mehr bekommt man den Eindruck, dass er selbst auch meint, diese relativ lange »Entwöhnungszeit« zu brauchen, um wirklich loszulassen zu können. Und genau das zeichnet ihn aus, er ist mit Herzblut dabei und identifiziert sich mit seiner Arbeit und handelt weitsichtig. »Ich habe fast ein Leben lang für Großenhain gearbeitet und sehe das als Privileg«, meint Hönicke nachdenklich. So richtig den Rücken kehren wird er dem Rathaus auch ab Herbst 2024 nicht, er will ehrenamtlich tätig werden.

 

Auch in den kommenden neun Monaten hat Hönicke noch einiges vor. Es ist also noch nicht genug. Dabei war er doch an allen Großenhainer Projekten maßgeblich beteiligt. Stellvertretend seien das Flugplatzgelände, die Gewerbegebiete, die Landesgartenschau, die Umgehungsstraße und vor allem der Sportpark genannt. »Mich als Sportler macht es besonders stolz zu sehen, wie der Sportpark auf dem NVA-Gelände kontinuierlich wächst. Von diesen Dimensionen haben wir damals nicht zu träumen gewagt«, blickt er zurück.

 

Die Hatz, dies alles zu koordinieren soll ab Herbst vorbei sein. Hönicke möchte dann ohne den lästigen Termindruck leben und Verantwortung abgeben, denn beides nagt enorm an der Gesundheit. »Meine Frau ist ein sehr starker Rückenhalt, die Familie ist mein Nest, sie hat mich stets aufgefangen«, erklärt Tilo Hönicke ohne Scham.

 

Termindruck ist wie Gift

 

Wie qualifiziert man sich für diese Berufung? In der DDR war Hönicke Abteilungsleiter im Bau- und Montagekombinat Ausbau. Ursprünglich war er 1987 als Stadtbaudirektor für Meißen vorgesehen. Diese Stelle hat ihn interessiert, denn er ist sehr heimatverbunden. In der »Wiege« Sachsens zu arbeiten, hätte ihn gereizt, aber irgendein Bauchgefühl hielt ihn dann doch davon ab, erinnert er sich. Ein Jahr später sollte er dann Kreisbaudirektor des Alt-Landkreises Großenhain werden. Der Lokalpatriot in ihm war aber größer - er wollte für Großenhain arbeiten: Am 20. Mai 1990, also vor fast 35 Jahren, begann er - im Alter von 29 Jahren - bei der Stadtverwaltung: »Wir waren jung und hatten keine Ahnung«, gibt er spitzbübisch lächelnd zu.

 

Die Stadträte wählten ihn damals trotzdem. Wie kommt ein so junger Mann an diesen Posten? »Zum großen Teil hat sicher auch dazu beigetragen, dass ich ein echter Großenhainer bin und immer großes Interesse für die Stadt habe«, schätzt Hönicke selbst ein.

 

Einer, der viel für die Stadt getan hat, kündigt seinen Rücktritt an, der in neun Monaten erfolgen soll. Sein Nachfolger wird es nicht leicht haben, die hohen Normen zu erfüllen, die Hönicke gesetzt hat.


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