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„Solidarität hat für unsere Region einen hohen Stellenwert"

Zum ersten Mal seit der Gründung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 1949 wird es 2020 keine Demos und Kundgebungen auf Straßen und Plätzen zum Tag der Arbeit am 1. Mai geben. Besonders dieser Tag möchte aufrufen, Solidarität zu üben. Der DGB-Kreisverband Görlitz hat deshalb einige Beispiele gesammelt, die zeigen, wie und mit welchen Akteuren das in der Region funktioniert.
Solidarische Landwirtschaft auf dem Heckenhof in Sohland am Rotstein. Foto: Heckenhof

Solidarische Landwirtschaft auf dem Heckenhof in Sohland am Rotstein. Foto: Heckenhof

Solidarität im Kleinen - Rentnerin Karin Mohr in Görlitz bekommt Alltagshilfe „Ich bin 76 Jahre alt, gehe an Gehhilfen, leide an Bluthochdruck und Diabetes und gehöre daher zur Corona-Risikogruppe. Dazu hatte ich vor zwei Jahren eine Lungenembolie, was die Situation noch verschärfte. Ich habe Angst um mein bisschen Leben bekommen und Angst, wie ich das ganz normale des Alltags bewältigen sollte. Ja, und da fängt die Geschichte der Solidarität an. Ich hatte eigentlich keine Vorräte gehortet, habe immer gekauft, was ich so in den nächsten Tagen brauchte. Das ist wohl sehr vielen so gegangen. Und da kam mein ‚Engel‘ in Person von Nicole Scheibe, die Vorsitzende vom ver.di Ortsverein und stellvertretende Vorsitzende des SPD Ortsvereins in Görlitz. Sie fragte einfach was sie mir besorgen könne. Es war mir doch peinlich, als ich meine Liste fertig hatte, wie lang sie war. Aber Nicole hat mir eindrücklich klargemacht, dass es in Ordnung sei und als ich dann noch nachordern musste, war auch das kein Problem. Ja, seitdem kauft sie für mich ein. In der Woche vor Ostern war es besonders schlimm, da viele Regale leer gekauft waren, musste Nicole mehrere Supermärkte aufsuchen, um unsere Listen abzuarbeiten. Aber sie hat fast alles bekommen. Ja, und das noch neben ihrer Arbeit als Horterzieherin, wo sie in Markersdorf Notdienst machte. Wir von Nicole betreuten Seniorinnen sind so froh, dass es Nicole gibt, die uns ein Gefühl der Umsorgtheit, ein Gefühl der Solidarität vermittelt.“ Solidarität in der Region – Cornelia Lipski von der IG Metall blickt zurück auf die Aktivitäten rund um den Kampf um den Erhalt des Görlitzer Werkes „Solidarität hat für unsere Region einen besonders hohen Stellenwert. Für den Waggonbau Görlitz haben wir diese in den letzten Jahren erleben dürfen, als es um die Schließung von Siemens und die ungewisse Zukunft des Waggonbaus ging. Über 7.000 Menschen aus der Region sind aufgestanden, um für die Zug(k)unft zu kämpfen. Gewerkschaft, Politik, Kirche Firmen, Menschen aus der Region und über 1000 Schüler bekundeten ihre Solidarität. Alle sind für den Erhalt der Arbeitsplätze aufgestanden. Die Stadt Görlitz und die Region ist zusammengerückt. Der Waggonbau Görlitz war in den letzten Jahren stark von strukturellen Änderungen betroffen. Was die geplante Fusion mit Alstom für den Standort bringt, wissen wir noch nicht. Einst steht jedoch fest: die Bahnindustrie ist eine Schlüsselbranche und für eine klimabewusste Verkehrswende unerlässlich. Wir stehen bereit dafür.“ Solidarität im Dreiländereck - auch beim Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds geht es weiter „In den grenzübergreifenden Projekten steckt eine Menge Herzblut, Engagement und Kreativität. Der Aufwand, der im größten Teil der Fälle im Ehrenamt betrieben wird, ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. Angefangen von Basteln im Kindergarten, über Feuerwehrübungen und Anglertreffen, Sportveranstaltungen bis hin zu Sicherheitskonferenzen und dem Entwickeln von QR-basierten interaktiven Spielen ist wirklich alles bei den grenzübergreifenden Projekten dabei“, sagt Markus Köhler, Geschäftsführer der Euroregion Neisse e.V. „Außerdem hat der Deutsch-Tschechische Zukunftsfonds Sonderausschreibungen für die Zeit der COVID -19-Pandemie veröffentlicht. Im Programm Brückenbauer geht es dabei um die Unterstützung deutscher und tschechischer Partner bei der Überwindung der Corona-Krise. Außerdem gibt es eine Sonderförderung für Initiativen, die in den Grenzregionen in Deutschland und Tschechien medizinische und soziale Dienste für besonders von der Corona-Pandemie bedrohte Personen leisten.“ Solidarität in der Stadt – Karl Heinz Neumann und seine Leute von der IG BAU helfen im Tierpark „Der IG BAU Ortsvorstand Görlitz (BZ-Verband Ostsachsen) stellte sich die Frage zur Solidarität schon bei der Wahl des Ortsvorstand, denn es ist uns ein Anliegen alle KollegenInnen zu erreichen. Um ein Zusammengehörigkeitsgefühl aller gesellschaftlichen Bereiche zu erreichen, haben wir vor einigen Jahren eine Aktion ‚Ehrenamtliche Arbeit‘ im Görlitzer Tierpark gestartet. Unsere Arbeiten sind Reinigung der Wege und Grünflächen z.B. Laubrechen, das Streichen von Tierabgrenzungen, Spielgeräte, Dekogegenstände wie Pappkühe und Ostereier usw. Die ehrenamtliche Arbeit macht den KollegenIinnen Spaß und fördert das Gemeinschaftsgefühl untereinander und zur Solidarität aller gesellschaftlichen Schichten. Auch haben wir ein gutes Verhältnis zu den MitarbeiterIinnen des Tierparkes und sie sehen es als eine solidarische Hilfe. So wird auch einmal im Jahr für unsere KollegenIinnen des Ortsverbandes eine Führung mit dem Leiter des durchgeführt, welches mit einem abendlichen Grillfest endet. Solidarität bedeutet für uns auf einander zugehen und Hilfe geben, wo sie benötigt wird.“ Solidarität auf dem Land – Odilia Jarman und Florian Schneider betreiben auf dem Heckenhof in Sohland am Rotstein eine Solidarische Landwirtschaft (SoLawi) „Seit dem Jahr 2014 betreiben wir als Familie einen solidarisch organisierten Gemüse- und Obstbaubetrieb. Getragen wird dieser von mittlerweile über 50 ErnteteilerInnen aus dem Dorf und dem weiteren Umland, bis hin nach Görlitz. Die Betriebskosten für ein ganzes Wirtschaftsjahr werden von unseren Ernteteilerinnen in einer jährlichen, anonymen Bieterunde aufgebracht. Diese ermöglicht es allen, unabhängig von der Höhe des Einkommens, hochwertige Nahrungsmittel zu beziehen und gleichzeitig eine ökologische und nachhaltige Wirtschaftsweise zu unterstützen. Der Hof steht der Gruppe gleichzeitig als Lern- und Erlebnisort zur Verfügung. Alles was wir an Gemüse und Obst jede Woche ernten, wird einfach in der Gruppe aufgeteilt. Wir als Familie spüren die Solidarität der Gemeinschaft, die uns auch in schwierigen Zeiten unterstützt und dabei hilft, weiterhin gute Nahrungsmittel zu produzieren. Als hundertprozentige SoLawi vermarkten wir unser Gemüse nicht, weder auf Märkten, noch an Läden. Nach sieben Jahren Gemüsebau in diese Form, wissen wir immer noch nicht, was ein Kilo Tomaten kostet. Unser Gemüse und Obst hat keinen Preis. Es ist preislos. Konkurrenz, grenzenloses Wachstum und Raubbau an Mensch und Natur, sind hoffentlich bald Dinge der Vergangenheit. Nachhaltigen, regionalen Strukturen und Co-operativen, die auf Vertrauen und Solidarität basiert sind, gehört die Zukunft. Lasst uns die ‚Corona-Blaupause‘ dazu nutzen um alte Strukturen zu hinterfragen und neue zu erträumen.“


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