Ein Biber und brennende Herzen
Der Spielort für MALFI! wurde noch nicht bekanntgeben. Das macht die neue Produktion des Gerhart-Hauptmann-Theaters noch ein bisschen spannender. Das Stück, bei dem der neue Intendant Daniel Morgenroth Regie führt, soll ein immersives Erlebnis werden. „Das Publikum sitzt nicht, es durchläuft das Stück“, sagt Morgenroth. Es kann sich frei bewegen, den Schauspielern folgen, Schubladen öffnen. „Und wenn sie im Weg stehen, dann werden sie auch mal beiseitegeschoben.“ Das Stück, das vom 14. Mai bis 6. Juni 2022 in Görlitz aufgeführt werden soll, ist eines von vielen im neuen Spielzeitheft, das im Juni vorgestellt wurde. Ebenso interessant wie die neuen Stücke waren bei der Vorstellung die neuen Gesichter, die auf dem Podium platzgenommen hatten. Nicht nur der Intendant ist neu, mit Martin Stefke als Chefdramaturg und Ingo Pütz als neuem Schauspieldirektor hat er sich Verstärkung ans GHT mitgebracht. Neu dabei sind auch Miriam Walter und Lisa Karich. Die beiden Frauen sind die neuen Theaterpädagoginnen. Man will in Zukunft wieder verstärkt junge Menschen fürs Theater begeistern, gründet dazu ein Junges Theater mit Spielclubs für Kinder und Jugendliche, einen Tanz-Jugendclub und erarbeitet auch Angebote für Kitas und Schulen. Und da war dann noch ein Biber. Nicht auf dem Podium, stilisiert an der Leinwand. Das Nagetier ziert das neue Logo des Theaters. „Der Biber packt zu und gestaltet, das wollen wir uns für das Theater auch auf die Fahnen schreiben“, sagt Daniel Morgenroth. Dass das neue Aushängeschild auch mal für Irritationen sorgt, gibt er unumwunden zu. Die Frage, was ein Biber mit Theater zu tun habe, sei nicht nur ihm schon gestellt worden. „Wir kontern dann mit der Frage, was ein angebissener Apfel mit Computern zu tun hat“, so Morgenroth. Beginnen wird die Spielzeit, die spartenübergreifend unter dem Motto "Hearts on Fire" steht, mit einer Gala und einem Tag der offenen Tür. In Görlitz ist der Start für den 11. und 12. September geplant, in Zittau steigt man am 25. und 26. September in die neue Spielzeit ein. Die Hoffnung ist natürlich, dass man das Publikum dann nicht mehr an Tischen platzieren muss. Die ersten Stuhlreihen sind in Görlitz schon wieder eingebaut. Aktuell hofft man, dass im September wieder ein Drittel, vielleicht sogar die Hälfte der Plätze belegt werden können. Natürlich war auch das Gutachten der Firma Actori Gesprächsthema bei der Spielzeitvorstellung. Martin Stefke hat seine eigenen Erfahrungen mit dem Thema gemacht und sich trotzdem für das Gerhart-Hauptmann-Theater entschieden. Als er zur Spielzeit 2014/2015 ans Volkstheater Rostock wechselte, habe Actori gerade dort Spartenstreichungen empfohlen. Die vier Sparten von damals gibt es auch heute noch. Schauspieldirektor Ingo Putz brachte eine interessante Frage ins Spiel. Wieso geht es bei solchen Gutachten immer nur um den Rotstift? „Ich finde es traurig, dass nicht mal ein Gutachten erstellt wird, das fragt, wie wir wieder mehr Geld fürs Theater bekommen“, so Putz. Das neue Spielzeitheft gibt’s online auf www.g-h-t.de.
Intendant, Chefdramaturg und Schauspieldirektor kurz vorgestellt
Intendant Dr. Daniel Morgenroth
Geboren 1984 in Coburg und aufgewachsen im ländlichen Franken studierte Daniel Morgenroth von 2004 bis 2011 Sprachen, Wirtschafts- und Kulturraumstudien an der Universität Passau (Diplom 2011). Er studierte ferner Text & Performance Studies an der Royal Academy of Dramatic Art und dem King’s College London (Master of Arts 2008) und wurde 2015 mit einer Arbeit zu Authentizität im Gegenwartsdrama (Bloomsbury 2017) bei Gerold Sedlmayr an der Technischen Universität Dortmund promoviert. Von 2011 bis 2017 unterrichtete er Englische Literatur- und Kulturwissenschaften an der Universität Würzburg. Sein künstlerisches Schaffen begann nach dem Schultheater im studentischen Bereich und der freien Szene, wo er unter anderem mehrmals mit Maria Milisavljevic zusammenarbeitete. Er leitete Improvisationstheatergruppen, schrieb, spielte und inszenierte in Passau und Würzburg, wo er auch die English Drama Group leitete. Am King’s College und der Royal Academy erarbeitete er unter anderem Stücke zu Gewalt und Literatur, Fellinis Ästhetik und in – Kooperation unter anderem mit Veronica Dyas und Guillaume Pige – die Performance No More Masterpieces, die 2008 beim Edinburgh Fringe Festival gezeigt wurde. 2009 bis 2010 arbeitete er als persönlicher Assistent von Robert Wilson unter anderem an den Inszenierungen von L‘Orfeo (Mailänder Scala 2009, 2011), 1433: Die Große Reise (Nationaltheater Taipeh 2010), Katya Kabanova (Nationaltheater Prag 2010) sowie zahlreichen weiteren Projekten und Wiederaufnahmen mit. Vor seiner Berufung zum Intendanten des Gerhart-Hauptmann-Theaters war er seit 2017 am Theater Konstanz engagiert, zuletzt als Stellvertretender Intendant.Chefdramaturg Martin Stefke
Martin Stefke wurde 1965 in Ost-Berlin geboren. Nach Abitur und Lehre als Baufacharbeiter arbeitete er im Abenddienst des Deutschen Theaters Berlin. Während seines Grundwehrdienstes bei der NVA begann er zu schreiben und veröffentlichte 1988 das Hörspiel „Flohzirkus“ (Ursendung: Stimme der DDR). Nach der Wende studierte er einige Semester Germanistik und Geschichte an der Technischen Universität Berlin, arbeitete in verschiedenen Berufen, u.a. in einer Druckerei und einer Galerie, in Kunst- und Theaterprojekten der Freien Szene Berlin und war zehn Jahre als freier Kulturjournalist vor allem für die Märkische Allgemeine Zeitung und die Zeitschrift Kunst und Kultur tätig. 2010 arbeitete Stefke erstmals an der Neuen Bühne Senftenberg als Dramaturg. Mit Beginn der Spielzeit 2014/15 ging er im Team des Intendanten Sewan Latchinian ans Volkstheater Rostock, wo er bis zur Entlassung Latchinians im Juni 2016 Leitender Schauspieldramaturg und bis Sommer 2017 Schauspieldramaturg war. In der Spielzeit 2019/20 war Martin Stefke als Chefdramaturg am Theater Konstanz engagiert. Hier betreute er u.a. „Die Bremer Stadtmusikanten“ (Christoph Nix nach den Brüdern Grimm, Regie: Michael Bleiziffer, Musik: Frédéric Bolli) sowie Samuel Becketts „Glückliche Tage“ in der Regie von Wolfram Mehring und arbeitete mit den Regisseuren Andrej Woron und Mark Zurmühle an Wole Soyinkas „König Baabu“, einem Projekt mit Mitwirkenden aus vier afrikanischen Ländern und Deutschland, das wegen der Covid-19-Pandemie nicht zur Aufführung kam.Ab der neuen Spielzeit ist Martin Stefke als Chefdramaturg am Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz Zittau tätig.