»Einfach bloß mehr Geld ins System geben ist nicht die Lösung«
Herr Ruban-Zeh, sind beide vom ungeliebten, zum akzeptierten, gar geliebten Partner geworden?
Torsten Ruban-Zeh: Es geht nicht darum, geliebte Partner zu werden, sondern eine Regierung zu stellen. Eine Minderheit hat für mich den Zwang, dass man mehr demokratisch miteinander verhandeln muss. Auf der kommunalen Ebene haben wir das jeden Tag – warum soll das nicht im Landtag klappen? Das wird den Bürgern zeigen, dass wir nicht einfach durchregieren.
Warum hat es in Sachsen mit dem BSW nicht geklappt?
Ich denke, es geht immer um Menschen. Persönlich kenne ich viele interessante Personen, auch kluge Köpfe, aber die Spitze ist letztlich ausschlaggebend. In Brandenburg kannten sich die Akteure schon recht gut, das machte es einfacher. Definitiv sind die Verhandlungen nicht am Friedensthema gescheitert – das ist fadenscheinig.
Hat man in Sachsen jetzt automatisch das BSW gegen sich?
Ich sage mal, zwei Drittel der Dinge, die dem BSW wichtig sind, stehen im Koalitionsvertrag – da sollte das BSW jetzt nicht plötzlich überall auf Kontra sein. Das letzte Drittel Dissens gibt es auch zwischen SPD und CDU. Der Rest ist verhandeln, verhandeln, verhandeln.
Nun ist ja das Ziel, die AfD auszuschließen. Wie finden Sie das?
Die AfD ist demokratisch gewählt und insofern zu behandeln wie alle anderen. Ich betrachte die Partei aber nicht als demokratisch. Das liegt auch hier immer an Personen. Das habe ich klar im Stadtrat gesagt. Im Landtag ist es das Gleiche für mich. Es ist doch schwierig zu sagen, wir wollen nur Mehrheiten ohne die AfD haben. Es gibt ganz normale Sachfragen, sollen wir sagen: Dann wollen wir den Beschluss nicht, nur weil auch die AfD zugestimmt hat? Was jetzt vermehrt auftritt sind populistische Anträge, sogenannte »Schaufensteranträge«, seht her, wir sind die Guten. Ich halte aber nichts vom »Vorführen«, das machen sie ganz alleine. In der Schweiz ist das ganz anders, da muss der Erstplatzierte mit dem Zweitplatzierten zusammengehen. Da gibt es solche Diskussionen gar nicht.
Dahinter steckt ein Verteilungskampf, der längst begonnen hat. In Sachsen erscheinen mir die Konflikte besonders aggressiv.
Sachsen ist schon speziell. Hier hat sich das Finanzministerium viel gesperrt, auch unlogisch. Seit Jahren wird diskutiert, ob man die 50:50-Teilung beibehält, also zwischen festem Zuschuss für die Kommunen und Fördertöpfen. Was nützt mir das denn, wenn ich meine Eigenmittel nicht einsetzen darf, um Fördermittel zu beantragen. Letztes Jahr saßen wir auf 1,8 Milliarden Überschuss. Da ist von vorherein klar, dass hohe Summen in den nächsten Haushalt gehen. Brandenburg macht das mit einer 70:30-Quote. Jeder Bürgermeister hat so 200 bis 220 Euro pro Bürger mehr für seine Aufgabenerfüllung. Der Freistaat könnte einfach sagen, wir schrumpfen die Fördertöpfe und geben den Kommunen mehr Geld in die Hand.
Was halten Sie von der Schuldenbremse?
Ich wäre für eine Änderung, aber man darf das nicht überspannen. Einfach bloß mehr Geld ins System geben ist nicht die Lösung, wenn die Ausgaben nicht endlich anders strukturiert sind. Man muss auf Bundesebene das ganze Gefüge Sozialstaat überprüfen und klar regeln, was geben wir aus und woher kommt das Geld dafür. So wie das jeder privat auch machen muss. Das Problem ist, man sich weigert, ganz große Themen anzufassen, ob das nun das Beamtenrecht oder Krankenkassen oder die Aufteilung in Pflicht- und freiwillige Aufgaben einer Kommune sind. Da muss man nicht nur auf das Migrationsthema schielen.
Geht Sachsen in der Schuldenfrage auch einen eigenen Weg?
Ich denke schon. Sachsen ist nach Bayern das zweite Bundesland mit den wenigsten Schulden. Darauf kann man stolz sein. Und was ist mit unseren Brücken und Straßen? Die Pro-Kopf-Verschuldung aller Bundesländer betrug 2023 fast gleichrangig zwischen 1.600 und 2.000 Euro. In Sachsen rund 500 Euro. Die anderen Bundesländer haben kein Geld herausgeschmissen, aber z.B. bei Minuszins Kredit aufgenommen und in ihre Infrastruktur investiert – das war uns verboten. Wir mussten uns weiter entschulden und durften keine Kredite aufnehmen. Aber ist das sinnvoll? Ich denke nicht.
Woran liegt dieser Kurs Ihrer Meinung nach?
Am Finanzminister, daran, dass wir kein bisschen auf den Markt reagieren. Da ist selbst der Ministerpräsident abgeprallt und das ist schon bemerkenswert. Wie kann man denn z.B. die Pensionsrückstellungen in Minuszins-Zeiten mit Millionen befüllen? Der Freistaat hätte sagen können, wir haben einen ordentlichen Grundstock, wir werfen jetzt mal nicht hundert Millionen rein, wohlwissend, dass die am nächsten Tag schon keine 100 Millionen mehr sind, weil der Freistaat auf diesen Fonds Minuszins zahlen muss. Da hätte ich doch lieber investiert! Es geht mir nicht darum, einfach mehr Schulden gutzuheißen, sondern ein wenig unternehmerischer zu agieren.