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Dem Kreis geht das Geld aus

Die AfD-Kreistagsfraktion malt düstere Szenarien zur finanziellen Zukunft vom Landkreis Bautzen. Die Zahlen im Doppelhaushalt 21/22 sind tiefrot, ab 2023 geht die Finanzplanung »in den freien Fall über.«

Am 23. Februar wurde der Entwurf für den Doppelhaushalt 2021/22 ausgelegt, über den die Mitglieder des Kreistages am 22. März beraten wollen. Ein Papier, das es in sich hat. Um den Haushalt mit einem Gesamtvolumen von rund 500 Millionen Euro überhaupt genehmigt zu bekommen, will der Kreis sämtliche Rücklagen im Wert von 38 Millionen Euro auflösen und zusätzlich neue Kredite in Höhe von 24,3 Millionen Euro aufnehmen. Außerdem ist geplant, Verrechnungen von mehreren Millionen Euro mit dem Basiskapital vorzunehmen und dadurch ein fiktives Kapital zu schaffen. Laut AfD ist dies »mit Gut Glück der letzte genehmigungsfähige Haushalt. Ab 2023 ist die Finanzplanung nicht darstellbar-, ein genehmigungsfähiger Haushalt ohne die massive Schröpfung der Gemeinden nicht mehr möglich.« Als Sofortmaßnahme schlägt die Fraktion daher eine massive Stellenstreichung im Landratsamt, die Senkung der Aufwandsentschädigung und des Sitzungsgeldes der Kreisräte vor. Schwarzmalerei? Oder halten die anderen Fraktionen im Kreistag die Maßnahmen für angemessen und zielführend?
CDU, Matthias Grahl: »Grundsätzlich teilen wir die Einschätzung, dass wir auf eine sehr schwierige Haushaltslage zulaufen. Dass ohne spürbare Gegenmaßnahmen ab 2023 kein genehmigungsfähiger Haushalt mehr aufzustellen ist, ist die Einschätzung der Verwaltung, die sich aus den vorgelegten Zahlen ergibt und tatsächlich realistisch ist.
Unstrittig ist, dass der Personalaufwand ein Ansatzpunkt ist, bei dem unbedingt noch Ressourcen gehoben werden müssen. Über den richtigen Weg müssen sich die Kreistagsfraktionen verständigen. Die Senkung der Aufwandsentschädigung und der Fraktionsfinanzierung sind reine Symbolpolitik und bringen keine merkliche Haushaltsentlastung.« Freie Wähler, Dirk Nasdala: »Wir distanzieren uns von derartigen unausgegorenen, die Bürger unseres Landkreises kirremachenden öffentlichen Verlautbarungen.« SPD, Gerhard Lemm: »Das Problem, welches die AfD beschreibt, ist bekannt und treibt alle Fraktionen um. Die von denen vorgeschlagenen Maßnahmen sind aber teils ungenau, teils falsch. Eine rein prozentuale Stellenreduzierung in Bezug auf die Einwohnerzahl ist zu unkonkret. Die Aufwandsentschädigung ist (...) eine der geringsten in Sachsen. Das Ehrenamt ist wichtig, die Einsparungen bringen aber faktisch kaum etwas.« Bündnis 90/Grüne, Siegfried Kühn: »Es ist selbstverständlich ein Gebot der Stunde, angesichts der Haushaltssituation Personalkosten zu reduzieren. Auch wir sehen da durchaus nennenswerte Reserven, die aber wahrscheinlich für den kommenden Haushalt nicht mehr wirksam werden können. Man kann den Personalbestand nicht mit dem Rasenmäher kürzen, die Arbeitsfähigkeit des Landratsamtes muss gewährleistet bleiben. Es gibt allerdings auch noch andere Positionen, wo wir Zweifel haben, ob die notwendig sind.« Mit welchen Ideen geht Ihre Fraktion in die Beratungen zum Haushalt?
CDU, Matthias Grahl: »Wir werden eigene Vorschläge unterbreiten und mit anderen Fraktionen diskutieren, zum Beispiel im Bereich Eigenbetriebe, ÖPNV sowie zur ggf. möglichen Veräußerung von Vermögensgegenständen. Wichtig ist uns, dass die Investitionskraft des Landkreises, vor allem für Straßen und Schulbauten, erhalten bleibt. Außerdem wollen wir beachten, dass die Gemeinden, die selbst oft eine schwierige Haushaltssituation haben, nicht zu stark durch die Kreisumlage belastet werden.« SPD, Gerhard Lemm: »Unsere Überlegungen konzentrieren sich, auch im Austausch mit anderen Fraktionen, auf vier Bereiche. Personal in der Art wie Minderausgaben, kw Stellen (»kw« steht für »künftig wegfallende«, Anm. d. Red.). Die erheblichen Kostensteigerungen im ÖPNV müssen genauer untersucht werden. In der Jugendhilfe geben wir viel Geld aus, leider mit wenig Erfolg. Da muss geprüft werden, ob man zielgenauer arbeiten kann. Zusätzlich müssen alle Vermögenswerte auf den Tisch. Was braucht man, was ist verzichtbar? Sind alle Eigenbetriebe so erforderlich, wo kann man straffen, zusammenlegen, abstoßen?« Freie Wähler, Dirk Nasdala: » Damit wir als Bürger die Mittelknappheit nicht zu spüren bekommen (...) werden wir zu folgenden Punkten noch unseren Klärungsbedarf dem Landrat gegenüber geltend machen: Ergebnishaushalt, Kreisumlage, Stellenplan, Personalaufwendungen und Strukturentwicklung (Kohleausstieg).« Bündnis 90/Grüne, Siegfried Kühn: »Man sollte das Thema auch noch von der Seite des Fachkräftemangels betrachten. Wir können nicht das gesamte Potential an jungen Leuten in der Verwaltung beschäftigen und erwarten, dass jene, die Wertschöpfung betreiben - heißt, das Geld erwirtschaften - aus dem Ausland kommen.«

Wo bzw. in welchen Bereichen wird der Bürger die Geldknappheit spüren werden?

CDU, Matthias Grahl: »Wenn es Einsparungen im Personalbereich gibt, dann kann das natürlich für die Bürger spürbar werden. So dauert vielleicht die Bearbeitung eines Antrages etwas länger als zuvor. Wir sind allerdings optimistisch, dass durchaus noch Potential für Einsparungen ist, ohne dass die Bürger das spüren müssen.« SPD, Gerhard Lemm: »Die Finanznot kann beim Bürger an zwei Stellen wehtun. Einmal gibt’s dann immer die Versuchung, Abgaben und Gebühren zu erhöhen. Was besonders für die fatal ist, die ohnehin schon Probleme haben. Davon gibt‘s durch Corona auch leider immer mehr. Und das Leistungsangebot der öffentlichen Hand wird a) geringer und b) qualitativ schlechter.« AfD, Henry Nitzsche: »Merken wird es der Bürger zuerst an Zuwendungen des Kreises für Kultur und Bildung. Zuschüsse für Theater, die Kreismusikschule und die Volkshochschule werden sicher zuerst gekürzt. Im Grunde kann  jede Einrichtung, an deren Betrieb und Erhalt sich der Kreis finanziell beteiligt, betroffen sein. Im weiteren Verlauf wird es der Bürger an der Beschaffenheit der Straßen merken, für deren Erhalt das Geld nicht mehr in dem gekannten Umfang zur Verfügung stehen wird. Im Grunde kann man jetzt schon sagen, dass sich der Landkreis schonungslos bei den Gemeinden bedienen wird.« Leider haben sich die Fraktionen DIE LINKE und FDP nicht zu diesem Thema geäußert. Die Äußerungen der Kreistagsmitglieder im kompletten Wortlaut: SPD, Gerhard Lemm, Oberbürgermeister Das Problem, welches die AfD beschreibt, ist bekannt und treibt alle Fraktionen um. Die von denen vorgeschlagenen Maßnahmen sind aber teils ungenau, teils falsch. Eine rein prozentuale Stellenreduzierung in Bezug auf die Einwohnerzahl ist zu unkonkret, schließlich wird mit dem Haushalt ein Stellenplan beschlossen. Wenn hier Sparpotential besteht, muss das genauer definiert werden. Entweder, indem man den Stellenplan verändert oder durch eine genaue Festlegung von Einsparungen in einer bezifferten Summe. Hierfür könnten etwa die im Stellenplan bezeichneten sog. Kw Stellen (künftig wegfallend) herangezogen werden. Die Aufwandsentschädigung ist seit vielen Jahren eine der geringsten in Sachsen. Und das Ehrenamt ist wichtig. Zudem bringt es faktisch kaum was. Als rein symbolischer Akt ist es dennoch diskussionswürdig. Die Fraktionsfinanzierung kann man rein rechtlich gar nicht weiter reduzieren. Wir hatten ja früher eine geringere, die wurde vom Verwaltungsgericht wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben. Ja, der Haushalt ist ab 2023 so nicht mehr genehmigungsfähig. Eine zusätzliche Belastung der Städte und Gemeinden ist da ja sogar schon eingepreist. Hier bedarf es eines erheblichen kommunalen Rettungsschirms von Bund und Land, darauf müssen wir gemeinsam dringen. Sonst könnten wir alle höchstens noch unsere Pflichtaufgaben leisten, was das Ende der kommunalen Selbstverwaltung wäre. Dann könnten wir auch Landräte, Bürgermeister und Vertretungen abschaffen und staatliche Kommissare einsetzen. Unsere Überlegungen konzentrieren sich, auch im Austausch mit anderen Fraktionen, auf 4 Bereiche. Personal in der Art wie o.g. (Minderausgaben, kw Stellen) Die erheblichen Kostensteigerungen im ÖPNV müssen genauer untersucht werden. In der Jugendhilfe geben wir viel Geld aus, leider mit wenig Erfolg. Da muss geprüft werden, ob man nicht zielgenauer arbeiten kann. Zusätzlich müssen alle Vermögenwerte auf den Tisch. Was braucht man, was ist verzichtbar? Sind alle Eigenbetriebe so erforderlich, wo kann man was straffen, zusammenlegen, abstoßen? Die Finanznot kann beim Bürger an 2 Stellen wehtun. Einmal gibt’s dann immer die Versuchung, Abgaben und Gebühren zu erhöhen. Was besonders für die fatal ist, die ohnehin schon Probleme haben. Davon gibt´s durch Corona auch leider immer mehr. Und das Leistungsangebot der öffentlichen Hand wird a) geringer und b) qualitativ schlechter. Fraktion Bündnis 90/Grüne, Siegfried Kühn - Es ist selbstverständlich ein Gebot der Stunde, angesichts der Haushaltssituation Personalkosten zu reduzieren. Auch wir sehen da durchaus nennenswerte Reserven, die aber wahrscheinlich für den kommenden Haushalt nicht mehr wirksam werden können. Man kann den Personalbestand nicht mit dem Rasenmäher kürzen, die Arbeitsfähigkeit des Landratsamtes muss gewährleistet bleiben. Es gibt allerdings auch noch andere Positionen, wo wir Zweifel haben, ob die notwendig sind. Man sollte das Thema auch noch von der Seite des Fachkräftemangels betrachten. Wir können nicht das gesamte Potential an jungen Leuten in der Verwaltung beschäftigen und erwarten, dass jene, die Wertschöpfung betreiben - heißt das Geld erwirtschaften- aus dem Ausland kommen. - Die vorgeschlagene Kürzung der Sitzungsgelder ist allerdings reine Symbolik, reiner Populismus. Die möglichen Einsparungen im Haushalt betragen ein paar Hundert Euro, das würde bei der Größe des Haushaltes überhaupt nicht sichtbar sein. CDU-Kreistagsfraktion Bautzen, Matthias Grahl
Nach meiner Kenntnis beschäftigen sich alle Fraktionen des Kreistages derzeit mit dem vorliegenden Haushaltsentwurf, so auch wir. Grundsätzlich teilen wir die Einschätzung, dass wir auf eine sehr schwierige Haushaltslage zulaufen. Dass ohne spürbare Gegenmaßnahmen ab 2023 kein genehmigungsfähiger Haushalt mehr aufzustellen ist ist die Einschätzung der Verwaltung, die sich aus den vorgelegten Zahlen ergibt und tatsächlich realistisch ist. Die Diskussion in der CDU-Fraktion ist noch nicht abgeschlossen.  Zu 1.) Die von der AfD-Fraktion vorgeschlagenen Maßnahmen sind auch bei uns diskutiert worden.
Unstrittig ist, dass der Personalaufwand ein Ansatzpunkt ist, bei dem unbedingt noch Ressourcen gehoben werden müssen. Über den richtigen Weg müssen sich die Kreistagsfraktionen verständigen. Die Senkung der Aufwandsentschädigung und der Fraktionsfinanzierung sind reine Symbolpolitik und bringen keine merkliche Haushaltsentlastung. Die seit über 10 Jahren konstante und ohnehin nur symbolische Entschädigung für Kreisräte noch weiter abzusenken widerspricht der allgemein für notwendig erachteten Würdigung des Ehrenamtes. Die Fraktionsfinanzierung bewegt sich im sachsenweiten Vergleich am untersten Ende, andere Kreise geben hier ein Vielfaches aus. Nur mit Mühe hat sich die CDU-Fraktion nach der Kreisreform gegen die anderen Fraktionen durchsetzen können, die eine üppigere Ausstattung der Fraktionen wollten. Zu 2.) Wir werden eigene Vorschläge unterbreiten und mit anderen Fraktionen diskutieren, zum Beispiel im Bereich Eigenbetriebe, ÖPNV sowie zur ggf. möglichen Veräußerung von Vermögensgegenständen. Wichtig ist uns, dass die Investitionskraft des Landkreises, vor allem für Straßen und Schulbauten, erhalten bleibt. Außerdem wollen wir beachten, dass die Gemeinden, die selbst oft eine schwierige Haushaltssituation haben, nicht zu stark durch die Kreisumlage belastet werden.   Zu 3.) Wenn es Einsparungen im Personalbereich gibt, dann kann das natürlich für die Bürger spürbar werden. So dauert vielleicht die Bearbeitung eines Antrages etwas länger als zuvor. Wir sind allerdings optimistisch, dass durchaus noch Potential für Einsparungen ist, ohne dass die Bürger das spüren müssen.     FREIE WÄHLER, Dirk Nasdaladie in der von Ihnen erwähnten PM der AfD-Fraktion angesprochenen Punkte interessieren selbstverständlich auch die Mitglieder unserer Fraktion. Aber wir distanzieren uns von derartigen unausgegorenen, die Bürger unseres Landkreises kirremachenden öffentlichen Verlautbarungen. Damit wir als Bürger die Mittelknappheit nicht zu spüren bekommen und insbesondere um die Entwicklung der Strukturen im Zusammenhang mit dem Kohleausstieg bewältigen und sowohl die sich weiterhin vielfältig verändernden Pflichtaufgaben der staatlichen Verwaltung und die von uns als Kreisräte und Bürger gewollten freiwilligen Aufgaben zu weiterhin allseits zufriedenstellend erfüllen zu können, werden wir zu folgenden Punkten noch unseren Klärungsbedarf dem Landrat gegenüber geltend machen: Ergebnishaushalt / Kreisumlage HH-Plan S.58 - in der Mittelfristplanung werden 2025 Erträge aus der Kreisumlage in Höhe von 123 Mio. € angesetzt,  - im Verhältnis zum Ergebnis von 2019 mit 100 Mio. € ist dies eine Steigerung um 23%, - in den Ausführungen des LRA ist schon die dabei einkalkulierte Erhöhung der Kreisumlage um 2% als mehr oder weniger alternativlos vorgestellt. Für uns ist nicht klar wie die Steigerung um 23% erreicht werden soll. Das wäre uns noch zu erläutern. Zum anderen ist die unterschwellige Bestätigung einer Erhöhung der Kreisumlage mit der Mittelfristplanung noch diskussionsbedürftig. Wir sind uns noch nicht darüber im Klaren, ob wir das mittragen. Stellenplan / Personalaufwendungen HH-Plan S.58 - die Aufwendungen für Personal sollen von 2019 von 98 Mio. € (Ergebnis)  in 2025 auf 111 Mio. € (Plan) steigen, - über den Daumen wären das ca. 2 % Erhöhung pro Jahr, was nachvollziehbar wäre, - Im Stellenplan werden für 2021 1777 Stellen als geplant ausgewiesen, zum 30.06.2020 waren 1586 besetzt, was ein Delta von 191 Stellen macht. Jede Stelle kostet im Schnitt 61,8 T€. - Da diese 191 Stellen im Ergebnis 2019 nicht enthalten sind, würden das bei voller Stellenbesetzung Mehrkosten von 11,8 Mio. € bedeuten. Für uns ist nicht klar, ob das LRA Personalkosten für alle Stellen lt. Stellenplan geplant bzw. wie die Mehrkosten bei 100% Besetzung abgedeckt werden sollen. Strukturentwicklung (Kohleausstieg) Im HH-Plan und auch bei den Ausführungen zum Haushalt durch den Ersten Beigeordneten und den Kämmerer wurde uns gegenüber in einer im Januar stattgefundenen Beratung auf den geplanten Wandel der Stabsstelle Breitband zur Stabsstelle Strukturwandel hingewiesen. Das Thema Breitband wird die Stabsstelle aus unserer Sicht mindestens noch bis Ende 2022 komplett beschäftigen. Überall laufen die Projekte noch, und nach Bauende ist alles noch zu dokumentieren, abzurechnen. Nachforderungen des Fördermittelgebers wird es bestimmt auch geben. Dazu muss auch Cluster 10 betreut werden. Damit würde die Stabsstelle eine aktive Arbeit  möglicherweise erst in 2023 Wirkung entfalten. Das wäre für uns zu spät. Im Landkreis Görlitz sind mit Landkreis, Freistaat und Bund schon mehrere überregionale Projekte auf den Weg gebracht worden: - Forschungsinstitut Casus in Görlitz - Forschungscampus bei Siemens  - Testcenter der Bahn in Niesky  - Bafa-Außenstelle in Weißwasser - Forschungsstandort Carbonfasern in Boxberg


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