Der Landkreis auf Jägersuche
Als das Thema Wolf bei einem Pressegespräch Anfang Februar auf den Tisch kommt, beginnt Landrat Stephan Meyer zunächst mit einer Einordnung. Es gehe hier in keinem Fall darum, den Wolf in der Region auszurotten. Es sei gut, dass der Wolf wieder ansässig ist. Aber in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft müsse für ein funktionierendes Verhältnis zwischen Wolfs- und Nutztierbestand gesorgt werden. Und genau dieses Verhältnis stimme aus seiner Sicht und aus Sicht der Unteren Naturschutzbehörde nicht. Letztere muss einen Abschuss (im Behördendeutsch Entnahme genannt) letztlich anordnen. Für den Wolf gibt es kein Jagdrecht. Er steht zwar im Jagdgesetz, genießt aber ganzjährigen Schutz. Deswegen sollte man aber aus Sicht des Landrats die Entnahme einzelner Tiere auch bei geschützten Arten wie dem Wolf nicht völlig ausschließen. Eben um im Zweifel eingreifen zu können.
Den Ausschlag für die im Herbst wieder aufkommenden Diskussionen hatten vor allem viele Risse im Raum Löbau gegeben. Besonders betroffen war das Damwildgehege in Krappe. Mitte Januar berichtete der Eigentümer von 24 Tieren, die bei insgesamt sieben Vorfällen in den vergangenen Monaten gerissen worden waren. Auch andernorts gab es immer wieder Wolfsrisse, etwa in Weißenberg, Lautitz und Prachenau.
Diskussionen werden bleiben
Nach langem Ringen um Rechtssicherheit ist die Entnahme des Problem-Wolfes in Krappe inzwischen genehmigt. Die Sächsische Wolfsmanagementverordnung setzt hier enge Regeln. Eine Entnahme ist beispielsweise zur Vermeidung erheblicher wirtschaftlicher Schäden (wie im Fall Krappe) oder zum Schutz der Gesundheit des Menschen möglich. Letzteres war ausschlaggebend für die bisher einzige Entnahme im Kreis. 2018 wurde bei Krauschwitz ein Wolf geschossen.
Mit der jetzt erteilten Genehmigung steht der Kreis vor einem neuen Problem. Es findet sich kein Jäger, der den Job übernehmen will. Zumindest war das Anfang Februar so. Gefragt hatte man nicht nur die Jägerschaft vor Ort, auch der Staatsbetrieb Sachsenforst und der Bundesforst wurden um Amtshilfe gebeten. Bis dahin ohne Erfolg. Ein Grund ist der enorme Aufwand, den die gezielte Entnahme eines Tieres mit sich bringt. Ein anderer ist die Angst davor, durch renitente Tierschützer persönlich bedroht zu werden. Ob inzwischen ein Jäger gefunden wurde, darüber gibt die Kreisverwaltung auf Anfrage keine Auskunft. Man werde sich im laufenden Verfahren nicht weiter dazu äußern, heißt es.
Man muss davon ausgehen, dass es in Zukunft immer wieder zu Fällen kommt, bei denen eine Entnahme zumindest ins Spiel gebracht wird. So werden im Norden häufiger unterernährte und von Räude befallene Wölfe gesichtet, die auf der Suche nach Nahrung durch die Orte streifen. »Wenn man diese Bilder sieht, dann muss man sich auch die Frage stellen, ob das noch artgerecht ist«, so Meyer. Außerdem müsse man auch die Population von anderen Wildtieren, beispielsweise Rehwild und Muffelwild, sehen und ins Verhältnis setzen. »Wölfe sind Prädatoren, die brauchen Futter«, so Meyer. Das alles müsse in Einklang gebracht werden.
Die Diskussionen darum werden bleiben. Er bekomme immer wieder böse Mails von beiden Seiten, sagt der Landrat. Tierschützer sagen, die Tierhalter seien nur nicht in der Lage oder willens, ihre Tiere richtig zu schützen. Tierhalter beklagen, dass sie alles Erdenkliche getan hätten, die Wölfe aber trotzdem in die Gehege gelangen.