Birgit Branczeisz

Was ist schön an Prohlis, Herr Lämmerhirt?

Dresden.  Prohlis will sein Stigma loswerden - jetzt mit einem Masterplan.
Seit Juni ist der Pusteblumenbrunnen in Prohlis defekt. Repariert wird er wegen der Haushaltssperre momentan nicht.

Seit Juni ist der Pusteblumenbrunnen in Prohlis defekt. Repariert wird er wegen der Haushaltssperre momentan nicht.

Bild: Branczeisz

Vielleicht erzählen sich die Prohliser in 30 Jahren, dass mit dem "Masterplan" alles begann. Dass es besser geworden ist seitdem, der Stadtteil mit Respekt genannt wird. Das wünschen sich viele. Prohlis hat diesen Masterplan. In den nächsten 10 Jahren sollen 220 Millionen in das Viertel investiert werden. Nicht zum Aufhübschen, die Aufgabe heißt den Wandel "vom Privileg zum Stigma" wieder umkehren. So formuliert es Stadtbezirksamtsleiter Jörg Lämmerhirt.

Zu DDR-Zeiten war es das große Los, hier eine moderne Platten-Wohnung zu bekommen. Sogar prominente Dresdner wie Schlagersänger Olaf Berger und Dynamo-Fußballer Jörg Stübner zogen nach Prohlis. Mit ihnen 30.000 Menschen. Inzwischen ist längst weggezogen wer konnte. "Viele, die nach Prohlis ziehen, haben sich das nichts ausgesucht. Sie können sich nichts anderes leisten und identifizieren sich dann natürlich nicht mit ihrem Stadtteil, weil sie eigene Probleme haben", erzählt Jörg Lämmerhirt. Wir sitzen auf einer Bank in einem der vielen parkähnlichen Grünstreifen. Auch sie gehören, wie die meisten Wohnungen zur Vonovia. Prohlis ist sogar einer der grünsten Statteile in Dresden - ohne Zäune.

Vielen fällt das gar nicht auf, dabei ist es ein Geschenk. Jörg Lämmerhirt schon. Was ist noch schön in Prohlis? Er muss nicht lange überlegen: Die gute Infrastruktur, bezahlbarer Wohnraum und Schutz vor Eigenbedarfskündigungen. Das kann nicht jeder Stadtteil sagen. Außerdem gibt es kostenlose Parkplätze, obwohl sich da sicher etwas ändern wird, denn die "Avenue", wie Lämmerhirt die 700 Meter lange Hauptstraße nennt, soll städtebaulich gefasst werden und nicht mehr bloß durchführen. Zum Beispiel am Albert-Wolf-Platz mit dem Pusteblumen-Brunnen von der Prager Straße, besser gesagt einem der Becken. Will Prohlis "seine" kleine Prager Straße? "Sicher nicht", lacht Lämmerhirt.

Der Stadtteil soll nicht nur architektonisch gefasst werden, er will auch die Menschen erfassen, mitnehmen. Denn die Aufgaben sind riesig: die Prohliser sind in die Jahre gekommen, die Mittelschicht hat sich rar gemacht, der Hartz-IV-Anteil liegt um ein Drittel höher als der Dresden-Durchschnitt. Was heißt, bis zu 60 % der Kinder leben von Hartz IV. "Viele sind morgens die Einzigen, die aufstehen", sagt Lämmerhirt. Diese Kinder und Jugendlichen zu erreichen ist so schwer. Gerade in den Migrantenfamilien. "Schule muss sein, aber alles andere nicht" - so sieht es praktisch oft aus. Dabei müssten die Eltern nur einen Antrag für den Verein, den kostenlosen Hortbesuch oder zum Mittagessen ausfüllen.

Doch das passiert dann nicht. Eine neue Stadtstruktur sollen Menschen helfen wieder eine persönliche Struktur zu finden. Wie das gehen soll? Drei Vorhaben nennt Lämmerhirt. Ein kommunales Beratungs- und Ärztezentrum, das die verstreuten Angebote bündelt und interdisziplinär macht. Das Jobcenter gehört da ebenso dazu wie die Volkshochschule - Bildung ohne den Angst-Ort Schule. Oder die neue 4-Feldhalle, die nach Volleyball und Basketball dem Handball in Prohlis neue Wege eröffnen soll.

Und der Neubau des BSZ Elektrotechnik, die größte Einzelinvestition, die den Prohlisern einen gymnasialen Abschluss ermöglicht. "Ich erwarte mir auch einen Wandel in der Bevölkerung, dass doch der ein oder andere hier bleibt, weil Prohlis ein schöner Stadtteil ist", sagt Lämmerhirt. Prohlis braucht also seine ganz persönliche Wende. Einige Schritte sind gemacht: Schon vor 12 Jahren hat der Stadtteil mit seiner eigenen Lehrstellenbörse angefangen. 1200 Schüler, 60 Unternehmen. So soll jeder jemanden finden. "Ich kümmere mich um alle Prohliser! Egal wie lange sie in Prohlis wohnen und wo sie vorher gewohnt haben, ob in Damaskus oder in Berlin", lautet Lämmerhirts Fazit.

TIPP:  Noch bis Donnerstag, 31. August, können finanziell Bedürftige die rechtsanwaltliche Beratungsstelle im Stadtbezirksamt Altstadt aufsuchen. Ab Donnerstag 7. September  findet die Beratung immer donnerstags von 16 Uhr bis 18 Uhr im Stadtbezirksamt Prohlis, Prohliser Allee 10 statt. Eine Terminvereinbarung ist nicht notwendig. Für folgende Rechtsgebiete kann die Erstberatung in Anspruch genommen werden: Familienrecht, Arbeitsrecht, Erbrecht, Strafrecht, Gesellschaftsrecht, Verwaltungsrecht, Sozialrecht, Mietrecht, Zivilrecht und Insolvenzrecht.


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