R. Rink

Viele Diabetes-Medikamente kaum noch verfügbar

Sachsen. In seiner Serie »Krankes Gesundheitssystem« betrachtet WochenKurier die Defizite in der Gesundheitsbranche. Dazu gehören auch die Lieferengpässe bei Diabetes-Medikamenten.

Bei Antidiabetika wie »Trulicity« gibt es massive Lieferengpässe.

Bei Antidiabetika wie »Trulicity« gibt es massive Lieferengpässe.

Bild: Privat

Viele Diabetiker sind neben ihrer täglichen »Spritze« auch auf weitere Medikamente zur Behandlung ihrer Typ-2-Diabetes angewiesen. Doch diese scheinen seit einiger Zeit, zumindest auf dem deutschen Markt, nicht mehr oder nur erschwert verfügbar zu sein. Diabetes-Patienten berichten, dass sie seit vielen Monaten nicht mehr an diese Medikamente herankämen.

Zu den davon betroffenen Medikamenten zählt auch »Trulicity«, dessen Hersteller »Lilly« die Lieferengpässe der Medikamentengruppe der GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA), die zur Behandlung von Typ-2-Diabetes eingesetzt werden, bestätigt. Die Situation würde in dieser Form bereits seit September 2022 bestehen.

»Die weltweite Nachfrage nach GLP-1-RA ist in den letzten ein bis zwei Jahren massiv gestiegen und hat inzwischen ein Ausmaß erreicht, das die gesamte Arzneimittelindustrie vor die Herausforderung stellt, den Bedarf zu decken«, sagt Eva Biesenbach, Product Communications Diabetes & Obesity von Lilly Deutschland.

Abnehmmedikament?

»Der Medienhype um ‚Abnehmspritzen‘ mag ein weiterer Grund sein.« Und das, obwohl »Trulicity« nicht zum Einsatz für die Gewichtsreduktion zugelassen ist. So sieht es auch Göran Donner, Präsident der Sächsischen Landesapothekerkammer und Inhaber einer Apotheke in Dippoldiswalde: »Der gewichtsreduzierende Effekt hat sicher dazu beigetragen, allerdings kommt man nicht mehr ohne Weiteres an dieses Arzneimittel außerhalb der Indikation.« Erik Bodendieck, Hausarzt in Wurzen, Diabetologe und Präsident der Sächsischen Landesärztekammer, glaubt nicht, dass in Sachsen ein relevanter Anteil der dann privat zu rezeptierenden Präparate, schon durch den hohen Preis, auch zum Zweck der Gewichtsreduktion verordnet wird.

Die globale Nachfrage nach »Trulicity« übersteige aber die derzeitigen Produktionskapazitäten von Lilly Deutschland bei weitem. Bei »Trulicity« und verwandten Präparaten kommt hinzu, dass nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit eine erhebliche Werbung in den Medien gemacht wird, so Bodendieck.

Medikamentenmangel

Bodendieck beobachtet schon seit einigen Jahren einen zunehmenden Medikamentenmangel, nicht nur in Bezug auf Antidiabetika, sondern auch bei Antibiotika oder Kardiologika und vielen weiteren. »Die Ursache der Lieferengpässe hängt wesentlich auch mit der Reformpolitik unter der Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt – Stichwort Rabattverträge – zusammen. Hinzu kommen weitere gesetzliche Auflagen, wie zum Beispiel die Emmissionsschutzgesetzgebung, welche die Produktion von Arzneimitteln in Deutschland erschweren«, sagt Bodendieck.

Dazu kommt, dass Deutschland kein Arzneimittel-Hochpreisgebiet mehr ist. »Wenn irgendwo ein höherer Profit erzielt wird, geht man da hin. Schließlich sind die Produktionskapazitäten schlicht zu gering«, sagt Donner. »Der deutsche Arzneimittelmarkt war und ist für die forschende und auch die herstellende Arzneimittelindustrie, anders als im letzten Jahrhundert, eher als unattraktiv zu bezeichnen«, so Bodendieck.

Maßnahmen

Ärzten empfehle Lilly daher, keine Neueinstellungen oder Umstellungen auf »Trulicity« vorzunehmen. Patienten sollten mit ihren Ärzten absprechen, welche Alternativen zur Behandlung von Typ-2-Diabetes in Frage kommen. Zudem hat Lilly in den USA im letzten Jahr eine weitere Produktionsstätte in Betrieb genommen und wird eine neue Hightech-Produktionsstätte in Alzey errichten.

»Es bedarf verschiedenster, vor allem lockernder gesetzlicher Maßnahmen, um den deutschen Markt auch in Bezug auf Forschung und Produktion wieder attraktiv zu machen. Die bisher getroffenen Maßnahmen des Bundesgesundheitsministers sind in keiner Weise ausreichend und gehen zum Teil fehl«, so Bodendieck abschließend.


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