Birgit Branczeisz

Tradition in Samt und Seide

Radeburg. Die Radeburger Feuerwehr erhält nach 150 Dienstjahren endlich eine eigene Fahne.
Antje Nguyen hat sich für eine Traditionsfahne stark gemacht.

Antje Nguyen hat sich für eine Traditionsfahne stark gemacht.

Bild: Branczeisz

Eine Feuerwehr ohne Traditionsfahne ist ungewöhnlich – zumal auf dem Land. Sechs Ortswehren ohne Fahne, das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Das dachte sich auch Antje Nguyen. Die IT-Fachfrau ist Feuerwehrfrau ehrenhalber. Sie ist eine, die harten Kerlen eine echte Bürde abnimmt – den Bürokram. Statistiken, Dokumentationen, Dienstpläne der Bambinos – darum kümmert sie sich mit Akribie.

So mancher wird ihr im Stillen dafür schon dankbar gewesen sein. Jetzt werden ihr wohl viele ganz offen die Hand schütteln, denn die Radeburger Feuerwehr bekommt am 26. August ihre erste Traditionsfahne. Aber nicht nur die Stadtwehr, sondern auch alle sechs Ortswehren von Bärwalde, Berbisdorf, Volkersdorf, Großdittmannsdorf, Radeburg und Bärnsdorf. 160 gestandene Kameraden, denen am Samstag die Rührung ins Gesicht geschrieben stehen dürfte. Dann wird die Fahne im Radeburger »Hirsch« feierlich geweiht. Das Ganze ist ein ehrwürdiger Akt, wenn auch kein kirchlicher wie einst.

Die Fahne des Kreisfeuerwehrverbandes Meißen wird stattdessen als »Patenfahne« vorangetragen und nach exaktem Ritual die Radeburger Fahne initialisieren. So eine Fahne kann natürlich auch nicht irgendwie aussehen. Schließlich soll sie über Generationen weitergereicht werden. Also ist Antje Nguyen in ihren Recherchen mit dem Projektteam die Archive durchgegangen. Fünf Jahre hat es von der Idee bis zum greifbaren Stoff gebraucht. Zu sehen bekommt ihn bis zur Weihe im »Hirsch« tatsächlich keiner – nicht einmal der Stadtwehrleiter Marcus Mambk.

Eine Arbeitsgruppe aus Mitgliedern jeder Ortswehr hat an dem geheimen Projekt »Fahne« gearbeitet. Aus dem Nähkästchen plaudern kann Antje Nguyen aber trotzdem ein bisschen. Zum Glück Reserve Das ist wörtlich zu nehmen, denn die Fahne wurde von Hand in der Fahnenstickerei Fassmann in Plauen genäht und bestickt. Letzteres war eine filigrane Angelegenheit. Auf einer Seite ist die Stadtkarte mit den Wappen der Stadt Radeburg, des Freistaates Sachsen und des Landkreises Meißen zu sehen, auf der anderen Seite Sankt Florian, der Schutzheilige gegen Feuergefahr, der schützend seine Hand über Radeburg hält.

In die Ecken sind jeweils historische Fahrzeuge gestickt. Dabei kamen verschiedenste Stickarten zum Einsatz, wie die bekannte Plattstichstickerei oder Nadelmalerei, Kurbelstickerei, Kantillestickerei und viele mehr. Mit geübtem Auge entstehen so feinste Bilder, Landschaften, Figuren, Vereinszeichen und Verzierungen, welche die Fahne zu einem Prunkstück werden lassen. Die Fahne besteht selbstverständlich aus reinem Samt, in den Tönen rot und blau, 1,20 Meter mal 1,20 Meter groß. Ein Jahr hatte die Stickerei Zeit. Dabei war Zeit nicht einmal das größte Problem: Der Samtstoff ist nirgendwo zu bekommen.

Zum Glück hatte die Stickerei noch »eiserne Reserven«. Auch die Kosten sind nicht ohne – 15.000 Euro. Das geht nur mit vielen Spendern. Die können sich auch namentlich verewigen. Gezeigt wird die Fahne an Tagen der offenen Tür, bei Feierlichkeiten, runden Geburtstagen, aber auch Abschieden – als einendes Tuch aller Feuerwehrleute der Stadtwehr.


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