Birgit Branczeisz

Tiny-Häuser für den Dresdner Norden

Moritzburg-Auer. Die Idee vom unbeschwerten Leben im Grünen ist in der Realität angekommen. Was ist bezahlbar? Was ist gewollt?

Die Mitglieder des Vereins Frei(t)raum aus der Dresdner Neustadt träumten vom Leben in Zirkuswagen, Holzmodulen und Containerhäuschen. Für ihre Tiny-House-Siedlung hatten sie im Moritzburger Ortsteil Auer die einstige Gartensiedlung am Siedlerweg entdeckt – gelegen zwischen der ersten Häuserzeile an der Großenhainer Straße und Wald. Ein gut 3.000 Quadratmeter großes Areal, auf dem verlassene Gartenlauben stehen, das sich Wald und Sumpf  hier und da zurückgeholt haben. In der Mitte ragen große alte Bäume in den Himmel und aus deren Kronen trällert der knallgelbe Pirol in Frühjahr sein Lied. Idylle pur, nach der sich der geplagte Städter sehnt. Das war im Jahr 2021.

Bürgermeister Jörg Hänisch war nicht abgeneigt, das Grundstück lag ohnehin schon länger brach. Den Vereinsmitgliedern war wichtig ein nachbarschaftliches, individuelles Wohnen zu entwickeln. Modern, minimalistisch mit 20 bis 40 Quadratmeter Wohnfläche und natürlich in der Natur. Den Auern ist wichtig, dass sich neuen Bewohner mit festen Wohnsitz in der Gemeinde anmelden, sich einbringen im Dorf, sei es nun im Verein oder im Mühen um Fußwege. Zweifel, ob sich das miteinander vereinbaren lässt, gab es schon damals. Der Ortschaftsrat stimmte dem Projekt Tiny-House schließlich mehrheitlich zu. Doch dann stockte das Vorhaben. Der Verein hatte nicht das Geld, einen Grundstückskauf  zu stemmen. Von Erbbaupacht wollte aber die Gemeinde nichts wissen. „Da haben wir genug Beispiele in Moritzburg, wo wir nur eingebüßt haben“, sagt Bürgermeister Hänisch.    

Mit dem Industrieboom im Dresdner Norden scheint der Moment gekommen, neue interessante Dorfbewohner zu werben – vor allem aber finanziell potente. Denn um den Traum zu einem bezahlbaren Traum zu machen, hat sich die Idee „Tiny-House-Siedlung“ inzwischen verändert. Mit Steffen Söhner von der Firma rethink-houses hat sich eine Firma des Projektes angenommen. Alles aus einer Hand – das verspricht nicht nur eine professionelle Abwicklung, es bedeutet eben auch, die Wohnmodule haben plötzlich ein uniformes Gesicht. Es sind Module, die in ein, zwei oder drei Segmenten zu haben sind, in moderner Holzbauweise, mit großen Glasfronten, folienisoliert und mit Schafwolle gedämmt, mit kompletter PV-Anlage auf dem Dach, aufgesetzt auf Streifenfundamenten. Geplant sind die größten baugenehmigungsfähigen Minihäuser für einem 3,5-Tonnen-Trailer. Hinstellen würde sie der Investor erst nach Bestellung. Doch billig ist das kleine Haus nicht. 100.000 Euro wurden in der Sitzung des Ortschaftsrates Auer genannt.

Knackpunkt ist das Grundstück, dessen Preis erst über ein Verkehrswertgutachten ermittelt werden muss. An dieser Summe könnte ein Verkauf scheitern. Der Investor bemüht sich seinerseits zu optimieren: 10 Häuser wären schön, mit sechs oder sieben rechnet sich das Vorhaben nicht. Dass es 15 werden, wie ursprünglich einmal vorgesehen, dürfte unwahrscheinlich sein. Der Sachsenforst hat Abstandsflächen von 30 Meter zum Wald angemahnt. Ob dafür das kleine Waldstück in der Mitte des Areals abgeholzt wird – der Investor möchte es eigentlich nicht. Vielleicht hat der Pirol Wohnrecht.

Die Anwohner machen  sich ihre eigenen Gedanken und haben dem Investor ihre Bedenken im Ortschaftsrat mit auf den Weg gegeben. Einige haben Sorge, dass sich das Leben dann beim ersten Sonnenstrahl draußen abspielt bei so kleinen Häusern. Camping-Flair am Auer? Das wollen sie nicht. Andere denken schon, dass angesichts der Preise eher Gutverdiener ins Dorf ziehen. Doch ob sie sich im Ort einbringen wollen oder zur Chipfabrik radeln und wieder heim? Apropos radeln. "Wir haben doch nüscht – nicht mal einen Fußweg, keinen Markt und das Auto brauchen sie sehr wohl, sonst kommen sie nirgendwohin“, wischt eine Anwohnerin den Traum vom unbeschwerten Leben im Grünen weg. Einige Männer nicken. Wenn beim Letzten in der Siedlung die Wärmepumpe anspringt, flackert bei den anderen das Licht, sagen sie. Das alles müsste im Planverfahren auf den Tisch – und auf die Rechnung. Und was ist den Auern eigentlich lieber? 10 kleine Tiny-Häuser oder vielleicht große 3 Eigenheime, die irgendwann sowieso kommen?

Der Ortschaftsrat Auer will das Gehörte nun „erstmal sacken lassen“ und im April seine Entscheidung zum neuen Projekt abgeben. Der Gemeinderat wiederum hat die neuen Pläne bereits intern vorgestellt bekommen und zugestimmt. Auch das sorgt für Unmut. Wie die Sache am Ende ausgeht, bleibt offen.


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