Stollenmädchen mit besonderer Leidenschaft
Lorna Prenzel ist das 30. Dresdner Stollenmädchen. Die 22-Jährige lernt natürlich Bäckerin und zwar im dritten Lehrjahr in der Feinbäckerei Stefan Richter in Bühlau. Ihre Leidenschaft neben dem Backen - sie wandert und das nach dem Abitur über 4.000 Kilometer von Mexiko nach Kanada auf dem Pacific Crest Trail. „Den Mut muss man erst einmal haben“, sagt Karoline Marschallek, Geschäftsführerin Schutzverband Dresdner Stollen e. V bei der Vorstellung der jungen Dame. Für den Stollenschutzverband war das Anlass genug, diesmal auch neue Wege zu gehen und eine Wanderkarte mit digitalen Routenvorschlägen durch das Dresdner Stollenland herauszubringen. Die Faltpläne kommen pünktlich zu Beginn der Stollensaison im Oktober heraus. Im digitalen Bereich sind diese mit der App-Anwendung Komoot verbunden.
„Ich habe bei meiner Reise immer wieder feststellen dürfen, welch großen Stellenwert deutsche Bäckereien im Ausland genießen und wie groß die Wertschätzung dafür ist. Für mich stand deshalb fest, dass ich mir diese Handwerkskunst selbst aneignen und in der Zukunft auch in andere Regionen, wie etwa nach Neuseeland, in die USA oder in den Kaukasus und Australien tragen möchte“, sagt Lorna Prenzel. Aber auch zu Hause wandert sie gern – klar dass die Ziele der Stollenwanderung an die schönsten Orte des Bäckerhandwerks führen. Dass ist das Besondere des diesjährigen Stollenmädchen. Das Fotomotiv auf einer Dachterrasse am Neumarkt sorgte für einen Weit- und Ausblick, der im Leben des neuen Stollenmädchens eine große Rolle spielt.
Stillstand ist nichts für Lorna Prenzel – und Ruhe auch nicht. Trotz vollen Terminkalenders besucht sie regelmäßig ihren Sportverein Take Down e.V., bei dem sie Mixed Martial Arts trainiert, eine Sportart, die verschiedene Kampfsport-Techniken vereint. „Aktiv sein, mich auspowern – das ist für mich ganz wichtig. Nach dem Trail und dem Start ins Handwerk habe ich auch sportlich nochmal nach einer neuen Herausforderung gesucht – und sie, wie ein tolles Team, gefunden.“
Ihre Ausbildung absolviert Lorna Prenzel in der Feinbäckerei Stefan Richter, die sich seit 1931 in Familienhand befindet. Einst übernahmen Alfred und Hildegard Fiedler die Bäckerei auf der Bautzner Landstraße in Dresden-Bühlau. Über vier Jahrzehnte führte in der Folge Tochter Ursula mit ihrem Mann die Bäckerei. Seit 2006 wird sie in der dritten Generation durch den jüngsten Sohn der Familie, Bäckermeister Stefan Richter, geleitet. Das Jahr 2024 geht dabei unfreiwillig in die Geschichte ein. Für Schlagzeilen sorgte im Januar ein Busunfall, der die Fassade des Verkaufsraums zerstörte.
„Wir sind ein sehr kleines, vertrauensvolles Team und packen immer gemeinsam an. Ich lerne alles direkt von meinem Meister“, sagt die Auszubildende. Brot und Kuchen lässt sie in der Backstube am liebsten entstehen. „Dresdner Christstollen ist für mich eine Herausforderung. Von der Herstellung des Teiges, über das Aufarbeiten und in Form bringen und schließlich das Ausbacken: Es sind Hunderte, ja sogar Tausende kleine und große Handgriffe, die sitzen müssen, damit der Stollen perfekt wird. Also die perfekte Kombination und der i Punkt, was die große Bedeutung des Stollens nicht nur in unserer Region unterstreicht.“
Stefan Richter, Lehrmeister des neuen Dresdner Stollenmädchens: „Dieses Jahr ist einfach unglaublich für uns. Erst der Unfall – und jetzt der versöhnliche Ausklang mit der besonderen Ehre, mit dem Stollenmädchen die wichtigste Repräsentantin des Dresdner Christstollens stellen zu können. Für uns als kleinen Handwerksbetrieb bedeutet es sehr viel. “
Neu ist auch das Stollenmädchen-Kleid, das zum 30. Jubiläum neu geschneidert wurde. Die Liebe zum Handwerk verbindet Lorna Prenzel mit Carolina Schmidt. Die Maßschneidermeisterin aus Pirna hat in diesem Jahr ein neues Kleid für das Stollenmädchen entworfen. Sie hat sich durch ihre Vorliebe für mittelalterliche Kleidung vom Handwerk begeistern lassen und ihr Hobby zum Beruf gemacht.
Entstanden ist in mehr als 150 Arbeitsstunden kein einzelnes Kostüm, sondern mit einem Rock aus blauem Jacquardstoff inklusive Schürze, erstmalig einer Hose aus Crêpegewebe und einem Mieder samt Bluse vielmehr Einzelteile, die sich miteinander kombinieren lassen. Vorlage war dafür das bekannte Kleid, das über viele Jahre zum Markenzeichen des Stollenmädchens geworden ist. Als Inspiration dienten der Schneidermeisterin zudem Kostüme aus der Renaissance, die sich in der Faltengebung des Rockes mit mehr als fünf Metern Saumweite wiederfinden.
Auch in diesem Jahr ist der Kalender des Stollenmädchens mit mehr als 50 Terminen in den kommenden Monaten schon gut gefüllt. Den Höhepunkt bildet aber das Dresdner Stollenfest am 7. Dezember. Dann gibt es für Stollen- und Stollenmädchenfans einen ganz besonderen Höhepunkt: Anlässlich des Stollenmädchen-Jubiläums sind auch alle 29. vorherigen Dresdner Stollenmädchen eingeladen. Viele haben bereits zugesagt.