Spielen ist eine ziemlich ernste Sache
Wie lange gibt es den gameDev dd Stammtisch für Spieleentwickler aus Dresden und Umgebung schon?
Bereits seit mehreren Jahren. Der aktuelle Stammtisch hat sich nach dem Abflauen der Corona-Pandemie wieder neu belebt, und wir haben wieder begonnen, uns alle zwei Monate vor Ort zu treffen. Ansonsten sprechen wir täglich auf unserem Discord (Nachrichtenplattform) miteinander.
Was für Firmen und Institutionen sind in dem Entwicklerstammtisch vertreten?
Der Games XR Mitteldeutschland Verband ist vor allem in Leipzig und Dresden stark engagiert, und Vertreter und Mitglieder sind auch oft bei uns zu Gast. XR steht hierbei für AR und/oder VR, also Augmented Reality und Virtual Reality, Konzepte die oft mit Smartphone und 3D-Brillen in Verbindung gebracht werden. Auch R42, ein Projekt aus Leipzig, arbeitet mit uns zusammen. Daneben werden wir noch von Institutionen wie Impact Hub als Konferenzort und der Fachhochschule Dresden und der Uni Mittweida unterstützt. Ebenso unterstützen uns das Level 44 Gaming Café. Man kann schon sagen, es gibt ein Netzwerk an Orten und Bildungsträgern und Start-up Firmen, die darauf aus sind, unseren Standort für Spieleentwicklung weiter aufzubauen.
Welche Spiele-Genres sind vertreten?
Traditionell sind in Deutschland Strategie- und Aufbauspiele sehr beliebt, im Ausland hat sich hierfür sogar der Begriff „German Games“ in der Spiele-Presse gebildet. Die kommen auch aus Dresden. Ein Beispiel ist das auf Steam erfolgreiche Städteaufbauspiel „Highrise City“ von Fourexo Entertainment, ein großer Achtungserfolg. Auch „Feldfeste-Games-Studio“ schraubt an einem mittelalterlichen Echtzeitstrategiespiel unter dem Titel „Castle Age“. Daneben gibt es auch ein sehr erfolgreiches Tower-Defense-Spiel wie „Dome Keeper“, von Bippinbits und dem Publisher Raw Fury, Platformer wie „Circulation“ von Oleg Klaus, aber auch Lernspiele wie U-Sharp von Vincent Schiller, bei dem man interaktiv C# lernen kann und damit seinen Spielfiguren helfen kann, das Level zu bestehen. Ebenfalls erschienen ist „Terra Inkognita“ – ein entspannendes Puzzlespiel von Weltenwandler. Das neueste Spiel, das aus Dresden erscheinen wird, wird wahrscheinlich „Project Titan“ von Fourexo sein. Auch „BeyondThoseHills“, ein Studio, das ursprünglich aus Athen kommt, hat sich bei uns niedergelassen und mehrere erfolgreiche und mit Preisen ausgezeichnete Spiele an den Markt gebracht.
Welche Entwicklungsumgebungen („Engines“) kommen zum Einsatz?
„Godot“ ist eine sehr beliebte und kostenfreie Engine vor allem für kleine Teams und kleine Spiele. Daneben gibt es noch die „großen“ Engines „Unity“ und „Unreal“, wobei Unity seit der plötzlichen Diskussion über die Umstellung ihres Bezahlmodells im vorigen Jahr an Ansehen verloren hat. „Unreal“ jedoch hat durch die Einführung vieler neuer technologischer Ansätze speziell für Spiele mit aufwändigerer Grafik neue Maßstäbe gesetzt. Hier wird oft „Lumen“, „Nanite“ und „Metasounds“ genannt – wenn man diese Werkzeuge einsetzen kann, kann das die Entwicklung vereinfachen. Auch „Unreal“ ist für Spieleentwickler zunächst umsonst, bis zu einem gewissen Umsatz. Alle diese Engines haben sogenannte „Asset Stores“, also Marktplätze, auf denen man sich zusätzlich einzelne Komponenten für sein Spiel besorgen kann, teilweise sogar kostenlos.
Welche Rollen und Aufgabenbereiche gibt es in der Spieleentwicklung?
In der Spieleentwicklung fallen technische, künstlerische und kreative Aspekte zusammen, und bilden ein Produkt. Daher sind auch die benötigten Fähigkeiten sehr breit gestreut: Es gibt Programmierer, 3d-Designer für Modelle, wobei der Ansatz für Umgebungen anders ist als jener für feindetaillierte Charaktere, Komponisten für Musik, Sound-Designer, Schreiber für Geschichten und Welten, Zeichner für Konzepte, Illustrationen und die Benutzeroberfläche, Level-Designer, die diese Welten digital formen und gestalten, Tester und Animateure, die den 3D-Modellen ein Skelett geben und neue Bewegungsabläufe entwerfen. Dies sind nur einige Beispiele.
Welchen Hintergrund haben die Entwickler heute?
Es gibt viele Entwickler, die aus Hobby und Interesse ihre Lieblingsspiele begonnen haben, selbst umzubauen, und über dieses „Modding“ (Modifizieren existierender Spieledateien) zur ursprünglichen Spieleentwicklung gefunden haben. Ein Ansatz, den man als „Reverse Engineering“ bezeichnen kann. Andere Entwickler haben den Zugang direkt über ein Studium gefunden, in dem sie wesentliche Grundlagen als Programmierer oder Künstler an einer Hochschule gelernt haben. Schließlich gibt es auch einige Entwickler, die aus angrenzenden Disziplinen wie Web-Entwicklung und Programmierung gewechselt sind, um sich kreativ zu verwirklichen. Ein wesentlicher Faktor ist auch, dass sowohl Engines als auch das Know-How in Form von Online-Tutorials sehr breit verfügbar sind, und dass sich die Anwender der Engines und Software-Tools auch, zum Beispiel über Discord, vernetzen. Dies senkte die Eintrittsbarriere in den letzten Jahren sehr.
Wie kann man teilnehmen?
Die Dresdner Community hat eine Website, https://gamedevdd.de, auf der sie auch ihren Discord verlinkt. Discord ist eine Plattform, auf der man sich miteinander austauschen kann, ähnlich Microsoft Teams oder Skype, nur ist sie wesentlich beliebter bei Spielern und Moddern. Viele der Entwickler haben auch ihr eigenes Netzwerk aus diesem Grund auf Discord, daher macht es Sinn, sich dort zu treffen. Die meisten Studios lassen sich per Suchmaschine finden, da sie eigene Webseiten unter ihrem Namen betreiben. Einmal alle zwei Monate treffen wir uns vor Ort in Dresden, neue Gesichter sind immer willkommen, und einige Studios bieten auch Praktika an, um sich zu orientieren.
Was ist so toll daran, Spiele zu entwickeln?
Spiele als Medium sind noch relativ neu im Kulturbetrieb, und werden sich voraussichtlich weiter als Ausdrucksform und Erlebnis etablieren. Dabei ist durch die Interaktivität ein direkteres Erleben möglich. Prinzipiell haben sie auch den Anspruch, auf der „Vorderseite“ mit künstlerisch gestalteten Inhalten anzusprechen, und gleichzeitig auf der „Rückseite“ das Erlebnis technisch zu steuern. Diese Kombination ist anspruchsvoll und reizend für innovative Ideen. Ähnlich wie beim Film schauen oder Buch lesen oder Musik hören entsteht ebenso ein intimer Dialog zwischen Spieler und Spiel, nur dass er hier noch multidimensionaler wird, also das Potenzial für große Tiefe hat.
Auf der anderen Seite kann man sich mit modernen Werkzeugen „spielerisch“ der Entwicklung von Computerspielen nähern, und bringt durch Spielerfahrung und Erfahrungen im Geschichten-Erzählen oder Schreiben schon viel intuitives Verständnis mit, von dem man profitieren kann. Daher ist es ein sehr attraktives Feld, um sich auszudrücken, Experimente mit Spielmechaniken zu wagen, zu lernen und auch persönliche oder gesellschaftliche Themenstellungen oder Entwicklungen aufzugreifen.