

Dresden. Es sind ungewöhnliche Klänge vor einer Premiere an der Semperoper. Christian Thielemann, Chefdirigent der Sächsischen Staatskapelle Dresden, lässt den Chor hinter dem Vorhang die ukrainische Nationalhymne anstimmen. Die Staatskapelle setzt ein – eine Rede braucht es nicht. »Die Kraft der Kunst ist so groß«, sagt Thielemann, als er der Presse kürzlich die Spielzeit 2022/2023 vorstellt. Sie entführt in eine andere Welt, macht nachdenklich, weckt Schönes und Gutes in uns. Die Oper »Aida« vom letzten Samstag scheint dafür wie ausgesucht. Giuseppe Verdi spiegelt die tragische Liebe der äthiopischen Prinzessin Aida und des ägyptischen Heerführers Radames, die zwischen den Interessen von Staat, Kirche und Verwandten zerrieben wird - um mit einem berührenden Plädoyer für die utopische Kraft der Liebe zu enden. Selbst Thielemann ist beeindruckt, wie der Schluss der »Aida« in diese Tage passt. Eine Zeit, in die das Publikum nicht bloß nachdenklich, sondern kraftvoll und voller Selbstbesinnung entlassen werden soll.
Wagner und Strauss
Dafür holen die Dresdner ihre »Hausgötter« Richard Wagner und Richard Strauss auf die Bühne. In der Spielzeit 2022/23 kehren »Der Ring der Nibelungen« und »Die Meistersinger von Nürnberg« nach Dresden zurück. Beide sind vom 27. Januar bis 1. Februar 2023 und vom 5. bis 10. Februar 2023 nach vier Jahren wieder zu erleben. Die Osterfeiertage 2023 feiert die Semperoper mit ihrem Publikum ein Strauss-Festival mit dem »Der Rosenkavalier«, der »Arabella« und »Ariadne auf Naxos«, zwei »Semper-Matineen« und dem »Semper Bar«-Abend und einer jazzige Hommage an Richard Strauss in der Reihe »Fenster aus Jazz«.
Ein »sehr schönes Programm mit ganz tollen Überraschungen«, verspricht Thielemann. Neu gewonnene Lebensfreude wollen alle Künstler mit ihrem Publikum teilen. »Manche Probe war etwas mühsam mit all den Einschränkungen«, gesteht Thielemann lachend. Spielfreude, Zusammenspiel und Virtuosität brauchen Training. Er wagt den Vergleich zum Sportler. Der neue Spielplan ist sportlich: zehn Neuproduktionen und 30 Wiederaufnahmen in Oper, Ballett und Junge Szene, zwei Uraufführungen, Semper Zwei und Junge Szene mit einer Auswahl von Musical bis Oper – darunter zwei Dresdner Erstaufführungen – und Stücke für Kindergartenkinder und Grundschüler. Das Semperoper Ballett bringt »Romeo und Julia« zur Uraufführung und präsentiert den neuen Ballettabend »White Darkness«. Liebhaber des Klassikers »Der Nussknacker« dürfen sich ebenso freuen wie Freunde des Themas Künstliche Intelligenz. Denn letztere wird auf der Bühne in »chasing waterfalls« gegen Solisten und Staatskapelle ansingen und -spielen. Ein aufsehenerregendes Projekt, das noch von sich reden machen wird. 365 Vorstellungen sind für die Saison 2022/23 avisiert – im Vergleich zu 64 stattgefundenen im vergangenen Corona-Jahr. Eine kraftvolle Rückkehr der Kunst ins Leben – nichts weniger als das kündigt die Semperoper an.