Birgit Branczeisz

Originalpartitur aus Bayreuth ist in Graupa zu bewundern

Graupa. "Fluch und Segen einer Widmung" heißt die neue Sonderausstellung zum 200. Geburtstag von Anton Bruckner. Sie nähert sich anekdotisch der eigenwilligen Beziehung zwischen Wagner und Bruckner.

Was die Geschichte einer Symphonie über zwei große Komponisten sagt:

 Am 4. September jährt sich der 200. Geburtstag von Anton Bruckner. Ein Musiker, der es einem nicht einfach macht – Bruckner seinerzeit oft als »der Musikant Gottes« belächelt. Ein Organist, der es tapfer auf 11 Symphonien in 18 Fassungen brachte, obwohl er von Brahms regelmäßig verrissen wurde. Zu verdanken hatte Bruckner das wohl größtenteils seiner Verehrung für Richard Wagner, der Brahms mit seinem neuen Stil gar nicht passte. 

Dem persönlichen Verhältnis von Anton Bruckner und Richard Wagner widmet sich die neue Sonderausstellung »Fluch und Segen einer Widmung« im Jagdschloss Graupa, der Richard-Wagner-Stätte nun bis zum 21. April 2025.  Prunkstück der Schau ist die Originalpartitur der Dritten Symphonie Bruckners, die der österreichische Komponist seinem deutschen Idol Wagner schenkte - eine Leihgabe aus Bayreuth. Genau um jene Partitur rankt sich die  vielleicht bemerkenswerteste von vielen Anekdoten. 

1873 nach seinem Kuraufenthalt in Marienbad unternimmt Anton Bruckner unangemeldet einen Abstecher nach Bayreuth, um seinem Idol seine Aufwartung zu machen - mit der Dritten und der Zweiten Symphonie im Koffer. Er will sie Wagner in tiefer künstlerischen Verehrung zur Widmung anbieten, und sicher nicht ganz uneigennützig. Abgegeben darf er beide Werke, wiederkommen erst nach ein paar Stunden. Die folgende Begegnung endet in einem redseligen Abend mit einem Fässchen Bier. Allerdings weiß Bruckner am nächsten Morgen nicht mehr, welche Symphonie der Meister nun angenommen hat… Nun, es war die Dritte.

Im Mai 1874 ist die Original-Abschrift schließlich zu Wagner gekommen. Es ist die längste Symphonie Bruckners mit über 2.000 Takten. Für die Widmung gestaltet ein Kalligraph extra ein Widmungsblatt: »für Wagner so viel Pomp wie möglich, Bruckner schlicht, aber nicht so schlicht, dass es nicht nobel wäre«, lautet der Auftrag Bruckners. Und so liest der Betrachter heute  eine Widmung an „»Herrn, Herrn Wagner« – in doppelte Verneigung – dem  unerreichbaren, weltberühmten und erhabenen Meister usw.

Diese Unterwürfigkeit hat ihm lebenslang geschadet, man hat ihn als Anhängsel Wagners beiseite geschoben, so Kurator Tom Adler, der sich als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Graupaer Wagner-Stätten intensiv mit den Zeugnissen jener Zeit beschäftigt hat. Strategische Demut, ehrliche Bewunderung – beides spiegelt sich wohl in der facettenreichen Beziehung. Doch während zu Wagner vieles gesagt ist, verliert sich Bruckner im Anekdotischen. Dieses unklare Verhältnis spiegelt sich famos im Scherenschnitt von Otto Böhler – man erkennt nur die Umrisse – Wagner, der mit 1,66 Meter Körpermaß als großer Hüne dargestellt ist und den eigentlich wesentlich größeren Bruckner herablassend begrüßt – Bruckner, der kleine, große Anhänger Richard Wagners. 

Dabei reicht die Musikform des eigentümlichen Bruckner bereits weit ins 20. Jh. - Gustav Mahler ist einer von Bruckners Schülern. Ein Anhängsel ist er beileibe nicht.

Doch das alles kann sich der Besucher selbst anschauen und anhören – die Urfassung der Dritten Symphonie wurde jedenfalls erst 60 Jahre nach Bruckners Tod im Kurhaus Dresden-Bühlau uraufgeführt, sie lag vorher schlicht nicht gedruckt vor. Die Ausstellung ist damit auch eine bewegende Geschichte eines symphonischen Werkes.

 

Höhepunkt: 16. März, 2025

15 Uhr in der Stadtbibliothek Pirna, mit Hansjörg Albrecht, der alle Bruckner-Symphonien auf der Orgel eingespielt hat. Jetzt gibt es dazu den Film.

17.30 Uhr in der Stadtkirche St. Marien Pirna, »Walkürenritt von 4.000 Pfeifen« – Bruckner & Wagner auf der Orgel – Tom Adler moderiert. Eine Premiere mit St. Marien.

www.wagnerstaetten.de

 


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