Nach dem Brückensturz kommt der Kassensturz
Es ist DAS Bild, das sich vielen Dresdnern wohl Jahre einprägen wird: Riesige Scheren greifen in herabgestürzte Teile der Carolabrücke, das Knirschen und Krachen ist bis zur anderen Elbseite zu hören. Viele Menschen wollten sich diesen historischen Moment mit eigenen Augen angesehen. Es gibt unzählige Fotos und Videos davon und so mancher hat sich verwundert gefragt: Wo kommt die ganze Technik auf einmal so schnell her?
Der Mann, der diese Frage beantworten kann heißt Mathias Lindenlaub und ist GF der Centro Umwelttechnik und Logistik GmbH aus Dresden. Mit 20 Partnerfirmen hat er die gefährlichsten Hindernisse von der Brücke beräumt.
Innerhalb von 6 Stunden wurden 13 Großgeräte über 40 t bis hin zu einer Longfront von 75 t nach Dresden geholt, »mit Sondergenehmigungen, die wir vom Krisenstab bekommen haben, denn wenn Sie einen Bagger über 65 t durch Dresden fahren wollen, muss ich wohl nicht sagen, was das für Genehmigungen mit sich bringt, u.a. bis zu vier Wochen Wartezeiten. Das haben wir in sechs Stunde gelöst«, so Lindenlaub schmunzelnd.
Am Donnerstag nach dem Einsturz 19 Uhr waren die ersten Geräte da. Die geborstenen Fernwärmeleitungen waren 23 Uhr vom THW gesprengt, die Unternehmen konnten loslegen. Bis 3 Uhr in dieser Nacht wurde »just in time«, so OB Dirk Hilbert, gearbeitet. Krisenstab, Feuerwehren, THW, Firmen, Helfer alle haben mitgezogen. Bereits 10 nach 3 waren die losen Brückenstreben durchgebrochen. Dazu brauchte es 13 schwere Geräte, 18 Sattelzüge, 10 Abrollcontainer, einen Rund-um-Service für die Hydraulik, Transporter, Ersatzteile und viele Hände.
Am Samstag, 14. September, 18 Uhr war der Job erledigt. »Wir haben gezeigt, dass man in Deutschland etwas bewegen kann, wenn alles unkompliziert über die Bühne geht«, so das Fazit des Unternehmers.
Zeitgleich griff der Hochwasserabwehrplan, der jetzt um ein Szenarium reicher ist. Jetzt geht es um Verkehrsorganisation, weil die wichtigste Verkehrsachse fehlt. Auf der rechtselbischen Seite des Blauen Wunders wurden deshalb die Tiefbauarbeiten am Körnerplatz vorerst gestoppt. Die Schillerstraße als Verbindung zur B6 und zum Dresdner Norden ist nun auch in Richtung Körnerplatz wieder befahrbar. Die stationäre Ampel blieb vorerst in Betrieb. Es muss lediglich eine Sperrung der stadtwärtigen Busspur in Höhe Haltestelle Körnerplatz bleiben. Die Haltestelle wurde auf die Elbbrückenstraße verlegt. Unter diesen Einschränkungen werden die Bauarbeiten bis auf weiteres fortgesetzt.
Während die Stadt das Chaos ordnet, stellt sich immer wieder die größere Frage dahinter: Wie soll es weitergehen mit einem Ersatzbau der Brücke? Und woher soll das Geld dafür kommen?
Im Hintergrund laufen bereits Gespräche mit Bund und Land, so OB Dirk Hilbert. Dennoch zeichnet Hilbert auch ein Bild der gravierenden Finanzlage. Der Stadt- und Gemeindetag hat unlängst ebenso die prekäre Situation der Haushalte dargelegt – alleine im vergangenen Jahr sind die Defizite der kommunalen Haushalte noch einmal um 400 Millionen gestiegen – nur in Sachsen. Das ist dramatisch. Denn die Vereinbarung, die kurz vor der Landtagswahl zum Finanzausgleich getroffen wurde, wandelt investive Zuweisungen in allgemeine Zuweisungen um.
Das bedeutet, es gibt für die sächsischen Kommunen keinerlei investive Schlüsselzuweisungen – nur nach einem positiven Saldo im Finanzhaushalt werden überhaupt Gelder zum Investieren frei. Das ist aber angesichts der Pflichtaufgaben vor allem im Sozialen sowie Kostensteigerungen unmöglich zu erwirtschaften. »Wenn ich mir das für Dresden ansehe, haben wir in den letzten Jahren deutlich von den guten Jahren gezehrt, jetzt sind wir aber ausgezehrt«, lautet das Fazit von Dirk Hilbert. Nach dem Brückensturz kommt der Kassensturz und der ist noch dramatischer.
Weitere Beiträge zum Teileinsturz der Carolabrücke
* Videos und Reels zur Carolabrücke gibts auf der Facebook-Seite WochenKurier Dresden