André Schramm

Kesselsdorf: Flüchtlinge werden Kollegen

Der erste Versuch ging schief, der zweite nicht. Um Flüchtlinge in Arbeit zu bringen, braucht es viel Puste. »Der Aufwand lohnt sich«, meint ein Unternehmer aus Dresden.

Mohammed Nasser stammt aus Eritrea und ist seit knapp drei Jahren in Deutschland. Wir treffen den Mann im neuen Fahrrad XXL Emporon Logistikzentrum. »Zwei Monate bin ich hier«, sagt der 33-Jährige während er eine Schraube am Rahmen eines schicken Mountainbikes festzurrt. Schon früher habe er zu Hause hin und wieder an Rädern geschraubt. »Das waren aber ganz andere als hier«, lacht er. Hinter ihm liegen anderthalb Jahre Heim und eine Zeit als Freiwilliger im Jugend- und Kulturzentrum SPIKE. Irgendwann erzählte ihm jemand, dass man bei einem »Fahrrad-Laden« dringend Leute suche.  Mohammed ist inzwischen einer von elf Flüchtlingen, die seit Jahresbeginn von Fahrrad XXL und dem Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk (SUFW) zu Fahrradmonteuren ausgebildet werden.

Super-Halle, keine Leute

»Die neue Logistikhalle in Kesselsdorf stand, die Auftragsbücher waren voll, aber die Mitarbeiter fehlten«, beschreibt Hamidreza Ameli, Geschäftsführer der Fahrrad XXL Emporon GmbH, das Malheur vom letzten Jahr. Schon 2015 hatte der gebürtige Iraner den Versuch unternommen, Flüchtlinge auszubilden. »Ein Flugzeugmechaniker und eine Lehrerin, beide aus Afghanistan«, sagt der 46-Jährige. Am Ende scheiterte das Ansinnen an der Sprache und dem Berufsschulstoff. Der Flugzeugmechaniker stellte sich so gut an, dass man ihn trotzdem behielt und firmenintern qualifizierte. Anlauf Nummer zwei schien zunächst ebenso ins Leere zu laufen. »Ich wusste vorher, dass bei 100 Telefonaten nichts rauskommt, aber beim 101. jemand sagt, dass es da eine Möglichkeit gibt«, erinnert sich Ameli. Seine Hartnäckigkeit machte sich schließlich bezahlt. Er erfuhr, dass eventuell über Bildungsschecks der Agentur für Arbeit und des Jobcenters sowie einem Bildungsträger etwas zu machen sei. Natürlich müsse das ganze Qualifizierungsprojekt vorher noch zertifiziert werden, hieß es. »Klar ist so was anstrengend«, sagt Ameli. Genervt vom Prozedere und den Behörden ist er nicht. »Als Unternehmer trage ich die Verantwortung. Für mich gibt es nichts Schlimmeres als Aufträge liegen zu lassen, nur weil ich keine Mitarbeiter habe. Die Zuwanderung ist hier eine große Chance, nicht nur für uns«, meint er.  

Perspektive in der BRD?

Seit Januar lernen die elf Männer zwei Tage pro Woche Deutsch im SUFW. Daneben stehen Werkstoffkunde, Mechanik und Physik auf dem Stundenplan. Die Praxis übernimmt Fahrrad XXL. Läuft alles so gut wie bisher, sollen sie nach sechs Monaten einen festen Job im Logistikzentrum bekommen. Ob und wie lange die angehenden Fahrradmonteure dann in Deutschland bleiben dürfen, weiß allerdings niemand. Mohammed Nasser jedenfalls würde gern noch eine richtige Ausbildung dranhängen. In Sachsen gibt es laut dem Sächsischen Arbeitsminister Martin Dulig (SPD) derzeit rund 17.000 Flüchtlinge mit dem Status »arbeitssuchend«. Genügend Potential für Nachahmer also. Im Frühjahr will die Agentur für Arbeit Dresden ein Fachinformationszentrum eröffnen – als Anlaufstelle für Unternehmen, die wissen wollen, ob und wie sie Migranten beschäftigen können. Gute Idee.


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