Birgit Branczeisz

Kein Essen in der Berufsschule - und das für angehende Köche

Dresden. Warum Tourismus-Ministerin Klepsch am ersten Schultag Leberkäs-Brötchen in der Gastro-Gewerbeschule verteilt.
Ministerin Barbara Klepsch verteilt Leberkäs-Brötchen an der Gastro-Gewerbeschule. Ein Gag ist das nicht.

Ministerin Barbara Klepsch verteilt Leberkäs-Brötchen an der Gastro-Gewerbeschule. Ein Gag ist das nicht.

Bild: Branczeisz

Augenfälliger kann es nicht sein – die Kantine der Gastro-Gewerbeschule in der Ehrlichstraße hat geschlossen. Ein Snackautomat zieht stattdessen ein. Bei rund 1.100 Berufsschüler eigentlich ein Unding, aber der Kantinenbetreiber hat aus Kostengründen aufgegeben. Die Option, eine öffentliche Kantine für das attraktive Umfeld Dresden-Mitte zu etablieren, ist an Kosten und Bürokratie gescheitert. Wäre es nicht ausgerechnet das Berufliche Schulzentrum fürs Gastgewerbe „Ernst Lößnitzer“ in Dresden betroffen, die meisten würden wohl mit den Schultern zucken.

Denn der Trend ist überall zu greifen: Eigene Schul- oder Kitaküchen haben aufgegeben, Projekte für regionales, frisches Kochen kommen wegen fehlenden Personals und Geldes nicht in die Gänge. Große Caterer verdrängen stattdessen längst kleinere – ergo, das Essen hat inzwischen weite Wege und kommt im Zweifelsfall aus der Tüte. Die 19 Prozent Mehrwertsteuer aufs Schulessen haben diesem Trend noch einen richtigen Kick versetzt. Weil viele Eltern wegen der gestiegenen Kosten ihre Kinder vom Essen abmelden, bleiben nur noch Snacks, Brötchen und Burger auf dem Speiseplan. Gesund Essen sieht anders aus.  

An diesem Montag, dem ersten Schultag, teilt Tourismus-Ministerin Barbara Klepsch auf dem Schulhof Leberkäs-Semmeln aus, mit Kraut und Senf, der Leberkäs ist selbst gebacken. Die Berufsschüler sitzen abwartend auf Bänken, stehen unschlüssig im Halbkreis vor dem Stand der DEHOGA. Deren Präsident, Axel Hüpkes, kündigt an, langsam zu sprechen, damit alle ihn gut verstehen, denn viele der 320 Berufsanfänger sind ausländischer Herkunft. Die Wahrheit ist, die meisten verstehen ihn trotzdem nicht. Gerade die jungen Vietnamesen, die von Institutionen angeworben wurden, kommen aus einem ganz anderen Schulsystem, viele haben kein B1 oder B2-Sprachniveau und stellen schnell fest, dass sie dem Unterricht nicht folgen können. Ähnlich geht es manchem aus Südafrika, Lateinamerika oder arabischen Ländern.

Schulleiterin Siri Leistner betont, viele der jungen Leute kommen äußerst motiviert hier an, der Großteil schafft aber den Abschluss nicht, weil ihnen die Sprache fehlt. Eine Dolmetscherin kann die Schulleiterin nur zur Einführung und bei wichtigen Veranstaltungen buchen – die Schule muss das selbst bezahlen. Durch den Unterricht hangelt man sich mit allerlei Behelfchen, notfalls der Wiederholung des 1. Lehrjahres. Warum  der Unterricht nicht simultan mit „Knopf im Ohr“, sprich KI, übersetzt wird, frage ich? Die Schulleiterin lacht. „Wir haben nicht einmal überall Empfang, geschweige denn Geld für Investitionen“, sagt sie. Ersatzbeschaffungen bis 800 Euro sind erlaubt, mehr nicht.

Damit kommt eine Ausbildungsstätte für Sachsens Köche der Zukunft nicht weit. Da ist weder ein moderner Dampfgarer gekauft, noch ein digitales Lernsystem. Einen IT-Hausmeister hatten sich die Lehrkräfte  dringend gewünscht. Doch sowas gibt`s nicht und die Lehrer und Lehrerinnen halten die Technik so gut es geht selbst am Laufen. Siri Leistner ist froh, dass sie jetzt in der Küche Internet hat. Das hat sie verlegen lassen, erklärt sie stolz. Die Handwerker haben zwar zuerst verwundert geschaut, aber heutzutage sprechen Herd und Co schließlich mit dem Koch. Wer damit nie hantiert hat, wie soll der auf Spitzengastronomie vorbereitet sein?

Doch so schnell wird sich nichts ändern. Der Freistaat Sachsen bereitet gerade die Haushaltsperre vor. Das Problem ist damit nur verschoben. Laut IHK Dresden haben dieses Jahr im Hotel- und Gastronomiefach etwa 1.100 junge Menschen einen Ausbildungsvertrag unterzeichnet – knapp sieben Prozent mehr als im letzten Jahr. Gerade wegen der internationalen Werbung und trotz Pleitewelle in der Branche.

Sachsen braucht auch dringend diese Fachkräfte. Denn mit rund acht Milliarden Jahresumsatz und etwa 180 000 Angestellten (Stand: 2022) ist die Tourismusbranche weiter eine tragende Säule der sächsischen Wirtschaft.  Siri Leistner könnte sich vorstellen, dass die Azubis früher nach Deutschland einreisen, um vorher noch einmal konzentriert Deutsch zu lernen. 2 Tage Deutsch lernen, 3 Tage arbeiten, 2 Tage frei – der Vorschlag ist nicht neu. Was daraus wird, bleibt auch diesmal ungewiss.

Immerhin gab es am ersten Schultag ein Leberkäs-Brötchen von der Ministerin. Sonst wäre der Bauch wohl leer geblieben, denn die Kantine hat ja geschlossen und der Automat ist auch noch nicht da. Aber vielleicht kochen ja dort künftig Schüler für Schüler. Aber dafür bräuchte es wieder Geld und - noch schlimmer - viele Genehmigungen.


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