»Ich bin froh, dass ich im Heim bin. Zuhause hatte ich Angst, hohen Blutdruck, das ging nicht mehr«, erzählt Ruth Wittig (91) resolut. Im Katharinenhof in Klotzsche hat sie ihr neues Zuhause gefunden. Gut versorgt, freundlich umsorgt. Zu ihren Kindern oder Enkeln ziehen, das wollte die alte Dame nie. »Die haben ihr eigenes Leben«, sagt sie ohne jeden Vorwurf, ohne die leiseste Verbitterung in der Stimme. Dass ihr der Umzug dennoch nicht leicht gefallen ist, erzählen Tochter Heike Eichinger (55) und Cindy Eichinger (34) aber auch im »Generationengespräch«, das im Katharinenhof stattfand.
Erstes Generationengespräch
Eine Premiere für das Heim, das erst knapp zwei Jahre alt ist und die betagten Bewohner, die erzählen, was sie so denken übers verheiratet sein, übers Zusammenleben von Jung und Alt, den Beruf, über Frauen und Männer und natürlich den Frauentag, denn an dem findet dieses Gespräch statt. Enkelin Cindy Eichinger findet, dass der Frauentag heutzutage irgendwie keine große Rolle mehr spielt. »Da schon eher der Valentinstag oder Halloween«, lacht sie. Und die anderen lachen mit. Oma Ruth hat Tochter Heike und Enkelin Cindy an ihrer Seite. Cindy war es, die ihrer Oma erzählt hat, dass es hier schön ist. Sie arbeitet schließlich hier als Pflegeassistentin. Diesen persönlichen Zugang hatten nicht alle.
Einer der älteren Damen kommt eine Träne. »Mir blieb gar nichts anderes übrig«, sagt sie leise. Sie war Lokführerin wie ihr Mann, immer taff. Die Kinder würden sie nicht pflegen. Dass das gar nicht so einfach ist, zeigt die Reaktion einer anderen Tochter in der Runde. Erst hat sie den Vater gepflegt, dann die Mutter – bis sie es alleine nicht mehr schaffte. »Da zeigt sich, wer da ist«, sagt sie nur. Es war auch ihr Leben, das vergangen ist. Oma Ruth nickt. »Am besten ist es, wenn man vorher über alles offen reden kann.« War früher wirklich »alles einfacher«. Zumindest vorgegebener. »Wir mussten ja erst ein Pflichtjahr machen«, erzählt Oma Ruth. Auf einem Bauernhof musste sie zupacken. Später kam sie in die Keradenta nach Radeberg. Es wurde eben gearbeitet. Wenn eine junge Frau schwanger war, hieß es in der Familie »Jetzt wird aber geheiratet«. Es wurde gespart, ein Häuschen gekauft oder man bekam eine Wohnung. Enkelin Cindy hätte für ihre Generation gern eine günstige Wohnung in Dresden. Ob die Großeltern glücklicher waren? Die alten Leutchen wissen nicht recht, was sie antworten sollen. Darüber hat man sich nicht andauernd Gedanken gemacht. »Es war eben so.«
Eine Dame erzählt dann doch, dass sie vom Gymnasium herunter musste, weil die Eltern kein Geld hatten. Sie musste saubermachen gehen, wollte das irgendwann nicht mehr. »Die Eltern haben mächtig geschimpft mit mir«, sagt sie leise. Heute ist alles besser? 64 Jahre ist die Dame nun verheiratet, ihr Mann 93 Jahre alt, musste über ein Jahr in einem anderen Heim leben, weil es kein gemeinsames Zimmer gab. Das hat er gar nicht verstanden. Inzwischen sind die beiden wieder zusammen.
Über alles offen reden
»Das war eben so«, könnte man sagen. Das »Generationengespräch« ist eine gelungene Premiere. Personal und Journalisten wurden gleich mit einbezogen in den Diskurs – es wurde miteinander geredet, nicht übereinander. Wie sagte Oma Ruth doch so treffend: »Am besten ist es, wenn man vorher über alles offen reden kann.«