Birgit Branczeisz

In der Sänfte durch Dresden

Dresden. Er nennt sich Königlicher Hofporteur und Gondolier – Jens Friebel ist ein Mann fürs Außergewöhnliche.

Eigentlich sind es hohe Herrschaften ja gewohnt, dass alle Blicke auf ihnen ruhen. Doch  Heinrich I., genannt der Faule, sorgt für amüsierte Blicke und Staunen beim Elbvenezianischen Carneval. Dabei ist der gelb eingekleidete Sänftenträger nicht einmal gemeines Fußvolk, sondern eine Schaufensterpuppe. Seine Füße ruhen auf dem Gestell der Sänfte, nur mit den Armen packt er scheinbar an den Holmen zu. Deshalb hat Jens Friebel seinen Kollegen auch den Faulen genannt. Wo die beiden auftauchen wird gelacht, die Leute drängen sich, vom Königlichen Hofporteur Jens Friebel sanft durchs barocke Dresden getragen zu werden. Ziehen wäre richtiger – unter dem Gestell verbergen sich kleine Räder und die werden auf Knopfdruck von einem Elektromotor angetrieben. Bis zu 150 Kilo kann der Sänftenträger so mit einem Lächeln bewegen. Sein Kollege ist nur der historischen Anmutung wegen dabei.

Apropos historisch. Das Original der Prunksänfte, nach dem Friebel seine Touristen-Attraktion gebaut hat, steht im Moritzburger Schloss, neben einer Sänfte für das gewöhnliche Bürgertum. Die Sänfte für den sächsischen Hof ist mit Motiven der Elbe und der Weichsel verziert, wie es sich für den Kurfürst von Sachsen und polnischen König August den Starken gehörte – Friebel hat der Göttin der Handwerker, Minerva, auf der Rückseite noch ein Bild gewidmet. Er selbst hat sich für die gelbe Postillions-Uniform entschieden – im Gepäck ist außer guter Laune stets eine Mappe mit historischer Geschichte über die sächsischen Sänften. So ist er in Moritzburg, Weesenstein und zur Stadtwette Dresden-Greifswald aufgetaucht und wird stets umringt.

»Die Sänfte ist einmalig, wie meine Gondeln«, erzählt er. Eine Pfauen-Gondel und eine venezianische Gondel – beides Nachbauten der sächsischen Gondeln aus dem Jahr 1719, als der Sohn von August dem Starken mit einer mehrwöchigen Prunkhochzeit heiratete. Die Pfauen-Gondel steht am Dippelsdorfer Teich in Bad Sonnenland, die venezianische Gondel »Coseline« in Loschwitz, im Hafen unterhalb vom Blauen Wunder.

2010 gründete Jens Friebel den Verein »Sächsische Prunkgondeln«. »Als Kind habe ich immer die Prunkgondel in Pillnitz in den Heckengärten bewundert. Die wollte ich eines Tages nachbauen und auf der Elbe damit fahren«, erzählt Jens Friebel und lächelt dabei. Dieses Unterfangen war zwar zu aufwendig, aber zwei äußerst fantasievolle barocke Gondeln sind es doch geworden. »Ich habe allerdings schnell gemerkt, dass mir zwar die Leute am Ufer zuwinken, aber es war schwierig, ins Gespräch zu kommen«, sagt er. An Land hat er dann meist alleine gewerkelt, um die Kähne saisonfertig zu machen oder er hat zu Hause größere Einzelteile aufgearbeitet. Abbauen, anbauen, Wasser ausschöpfen, alles winterfest machen und schließlich erneut restaurieren – und das ohne Fördermittel.

Dazu kommt, dass die Fahrten auf dem Dippelsdorfer Teich von Mai bis Ende September nur nach Wetterlage stattfinden können. Der Teich verschilft manchen Sommer derart, dass ein Rudern unmöglich wird. Die Hoffnung, dieses Jahr könnte es mit dem Entschlammen endlich losgehen, hat sich nach der Haushaltssperre des Freistaates erneut zerschlagen. Im Januar hat er den Verein daher abgemeldet – ein Jahr läuft nun die Wartefirst bis zur Löschung aus dem Vereinsregister. Im Jahr 2023 wurden übrigens 183 Vereine im Regierungsbezirk Dresden beim Dresdner Amtsgericht abgemeldet, 2024 waren es 187 Vereine.

Der Tüftler Jens Friebel hat sich nicht entmutigen lassen. Beruflich hält er die Oberleitungen der Dresdner Verkehrsbetriebe in Ordnung. Privat hat er sich nun eben eine Sänfte gebaut, die er auf einem Gestell eines Anhängers transportieren kann, die in jeden Schlosspark passt und die er mit weit geringerem Aufwand erneuern kann. Fast nebenbei bringt er ein Stück sächsische Geschichte lebendig unters Volk.

 Kontakt: frieba@googlemail.com

 


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