»Ich bin ein Johannstädter!«
Matthias Kunert ist angetreten, um sich überflüssig zu machen. Ende 2026 ist es soweit. Dann gibt der Quartiersmanager der »Nördlichen Johannstadt« seine Arbeit endgültig in die Hände des Stadtteilbeirates für die ganze Johannstadt ab.
Das Quartier »Nördliche Johannstadt« ist nur ein kleiner Teil: 6.500 Menschen, 32,9 Hektar und 13,6 Millionen Euro Fördergeld. Ein Karree, das sich gleich an den Sachsenplatz anschließt, zur riesigen Altstadt gehört mit 65.000 Menschen und zum Stadtbezirk Johannstadt mit 25.000 Einwohnern. Und doch ließe sich in nur einer Platten-Zeile der Nördlichen Johannstadt schon ein ganzes Dorf unterbringen: Der »Wohnhof« an der Hopfgartenstraße ist ein Rondell mit 28 Hauseingängen, je zehn Etagen, 40 Haushalten und 2.200 Bewohnern aus 50 Nationalitäten – ohne Bürgermeister oder Verwaltung.
Matthias Kunert hat für diese Enklave im Quartier den »Wohnhof-Beirat« initiiert – seitdem sind auch von dort Ideen für Projekte gekommen. Das hieß zunächst an jeder Haustür klingeln, Menschen zusammenbringen, Strukturen schaffen, Ideen bündeln, entscheiden.
»Die Bewohner sind die Experten für ihr Umfeld«, ist sich Kunert sicher. Ob Wochenmarkt, Trinkbrunnen oder Büchertausch – es geht um Projekte der Bürger. Dass Stadtentwickler, Genossenschaft, Märkte oder Verkehrsbetriebe und Private mit ihren Projekten mitziehen, sich vernetzen – das macht ein Sanierungsgebiet erst erfolgreich. Wenn das neue Stadtteilhaus fertig ist, ist es fast geschafft.
Nur die Johannstadt, Pie-schen und Mickten haben bislang Stadtteilbeiräte mit Stadtteilfonds. In der Johannstadt stehen 20.000 Euro im Jahr bereit. Vor allem hat es aber etwas mit den Menschen gemacht. Nur so kam eines Tages Bertil Kalex auf Kunert zu, es gäbe doch so viele in Vergessenheit geratene Orte in der Johannstadt, die man wieder erlebbar machen müsse. Entstanden ist ein Rundweg mit zwölf Stelen, die spannende Geschichten erzählen. Ob es das Plattenwerk aus DDR-Zeit ist, die Kamelienstraße, an der einst gründerzeitliche Bebauung wie in der Neustadt stand, ein berühmtes Tanzlokal, der legendäre Fahrzeugbau von Gläser oder das Kassengebäude für die Wasserfluglinie Dresden-Altona. Für Matthias Kunert ist es ein schönes Gefühl, etwas bewirkt zu haben und ein Bangen, ob das Engagement neue Krisen übersteht. Er selbst wird sich 2026 einen neuen Job suchen, vielleicht wieder als Netzwerker. Denn das war der Geograph seit jeher – ob in der Johannstadt, Görlitz / Zgorzelec oder einem Nationalpark in Westafrika – es geht ihm stets um Dialog und Mitsprache.