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Birgit Branczeisz

Herzenssache Dresdner Fernsehturm

Dresden. Die Stadt setzt nun doch voll aufs Autofahren - das offenbart das Dilemma am Fernsehturm.

Das Navi lotst den Autofahrer unweigerlich über die Bautzner Landstraße, die Schillerstraße und wieder hoch die Wachwitzer Bergstraße. 20 Prozent Steigung, enge Kurven, besonders die letzte 90-Grad-Kurve ist sportlich. Stefan Döring nickt. »So werden die Fernsehturm-Besucher künftig am häufigsten geleitet«, ist er sich sicher. Er wohnt wie über 500 andere unmittelbar am Fernsehturm. Klar, dass man sich da mit dem Verkehrskonzept zur Neueröffnung des Turms besonders befasst – und an dem hakt es gewaltig.

Mit einer Bürgerinitiative fragt Döring nach, veröffentlicht und diskutiert. Nicht, weil man die »Herzenssache Fernsehturm« madig machen will, sondern weil hier von Grund auf etwas schief läuft. Anfangs hatte die Stadt in Versammlungen ein Mobilitätskonzept versprochen, das nachhaltig auf ÖPNV setzt und versichert, bevor das nicht geklärt ist, wird es keine Turmöffnung geben. Inzwischen ist es still. Sehr still, man wolle Gegnern keine Bühne bieten, heißt es unter der Hand. Hintergrund ist, dass sich die Stadt von ihren Zusagen verabschiedet hat. 

Nach jetzigem Stand wird es keine Verbesserung des ÖPNV geben. Die Linie 61 fährt weiter im jetzigen Takt, die Umleitung der 87 über den Fernsehturm entfällt, es gibt keine Direktverbindung in die Stadt. Die 61 soll stattdessen über die Rossendorfer Straße fahren und der Shuttlebus nicht mehr durch Pappritz. Man könne den Besuchern das Verkehrsmittel nicht vorschreiben, heißt es. Über 85 Prozent kommen mit dem Auto, so die Expertise - und 230.000 Gäste sind jährlich nötig.

 

Eigentümer geht hier kaum ein Risiko ein

Das neue Parkhaus an der Rossendorfer Schleife wird wohl weniger genutzt werden, als erhofft. Wer einmal am Turm ist, fährt nicht wieder zur B6, um von dort mit einem Bus hierher zurück zu fahren. Also will die Stadt am Parkplatz Fernsehturm ein 10 Meter hohes, dreistöckiges Parkhaus für 150 statt wie zunächst geplant 50 Autos bauen. Zurzeit sind hier 24 Parkplätze. Man wolle sehen, wie sich das einpendelt, hat die Bürgerinitiative auf Nachfrage als Antwort erhalten.

Ganz ohne Zutun wird auch dieses Einpendeln nicht gehen. Die Stadt will das Parkhaus gern einem Investor übergeben – doch damit der auch stets Kunden hat, soll das Viertel zur Parkverbotszone werden. Bezahltes Anwohnerparken oder Parkhaus wären die Alternativen. Das sorgt natürlich nicht für Freude. Über die persönliche Betroffenheit gehen die Hintergründe aber weit hinaus.

25,6 Millionen Fördermittel sind für den Turm zugesagt - gerechnet im Jahr 2017. 50 Prozent davon gibt der Bund, 25 Prozent das Land und weitere 25 Prozent die Stadt Dresden, allerdings abzüglich bereits geleisteter Studien und Planungen. So der Plan. »Das Geld reicht nie«, sagt Döring und führt weiter aus: »Den Fernsehturm sanieren heißt aber nur, den Turm so herzurichten, dass er touristisch geöffnet werden darf und der Eigentümer muss den Fernsehturm auch nur für 20 Jahre zur Verfügung zu stellen. Nicht mehr und nicht länger!«

Der Besitzer ist nicht etwa die Stadt Dresden, sondern die US-amerikanisch-kanadische Investment-Gesellschaft Digital Bridge und Brookfield - sie hält seit 2023 inzwischen 51 Prozent der Anteile. Der DFMG Deutsche Funkturm GmbH mit Sitz in Münster, 2002 als Tochter der Deutschen Telekom gegründet, gehören nur 49 Prozent. Was bedeutet, Steuergeld und spätere Miet-Einnahmen gehen entsprechend dieser Verteilung hauptsächlich nach Amerika an einen Hedgefonds.

Der Betreiber  - die DDV-Mediengruppe, die Dresdner Tourist-Information und die Münchner Kommunikationsagentur Avantgarde - sollen 4 Millionen in den Innenausbau investieren. Alles andere, das Mobilitätskonzept, die Struktur im Umfeld, zahlt die Stadt Dresden. »Deshalb ist von den Versprechen nichts geblieben«, so Döring.

Dabei sind diese Detailfragen ein Knackpunkt: Das beginnt schon bei der Frage, wie die Besucher zum Fernsehturm kommen. Der Wachwitzer Höhenweg ist zu steil und zu eng. Busse kommen hier nicht um die Kurve. Die Bürgerinitiative hat sich einen Bus gemietet und es ausprobiert. Der geplante Baumwipfelpfad über die Wiese zum Turm kommt aber bekanntlich  nicht, weil die 4,5-Millionen-Förderung abgelehnt worden ist.

Was bleibt ist der 30-Meter-Höhenunterschied zwischen Parkhaus und Fernsehturmfuß, der so nicht als Schräge zulässig ist. Nun soll ein Zickzack-Pfad wie im Gebirge über die Wiese führen statt eines Wipfelpfades, damit der Weg nicht zu steil wird. Allerdings tangiert der just das Biotop »Feuersalamander«, das  größtes Vorkommen in Europa. Immerhin befindet sich das gesamte Areal im Landschaftsschutzgebiet, an der Grenze zum FFH-Gebiet. Noch schlimmer: Der Zickzack-Pfad führt nicht einmal direkt zum Ziel, sondern bis zur Wachbergschänke – von da geht`s dann quer durch den Wald – denn der Eigentümer der Schänke hat sein Grundstück umzäunt.

Der Höhenunterschied vom Turm zur Elbe beträgt immerhin 120 Meter. Zu Fuß oder per Rad dürften da die wenigsten durch den Wald zum Turm kommen – der Zustand der Wege ist ohnehin abenteuerlich. 300.000 Euro sind bisher für die Ertüchtigung der Wanderwege vorgesehen. Für Stefan Döring ist auch das völlig unrealistisch.

Bliebe die Zufahrt »von oben«, sprich über Gönnsdorf. Möglich, aber für diese Besucherzahlen? Durch einen Ort, in dem sich Busse nicht begegnen sollten, in dem es keine Fußwege gibt? Stefan Döring hat da seine Zweifel.  Auch die Bewohner hatten darauf schon frühzeitig hingewiesen. Gerade letzteres macht ihm deutlich – wenn das Mobilitätskonzept nicht wie versprochen kommt, sind auch die umliegenden Ortschaften betroffen, besonders an der Quohrener Straße, Schönfelder Landstraße, Pappritzer Straße, Staffelsteinstraße und Wachwitzer Bergstraße - nicht nur 500 »Hanseln« am Turm.

Kein Wunder, dass der Pro-Fernsehturm-Verein unbedingt die Seilbahn zum Turm im Gespräch halten will. 1961 wurde übrigens bereits ein Fundament der Bergstation  gelegt, doch dann war den Genossen in Berlin das Dresdner Projekt zu teuer und eine  Bergbahn wurde nur in Thale (Harz) gebaut.

www.ft-dd.de

 

 


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