gb

Großes Leiden oder große Liebe?

Tierschützer wollen Tiere im Zirkus verbieten, auch Dresden will sich jetzt mit dem Thema befassen.
Dr. Immanuel Birmelin (hier 2015 in Dresden mit Elefanten von Sonni Frankello) ist davon überzeugt, dass gute Tierlehrer eine ganz besondere Form der Kommunikation mit ihren Tieren demonstrieren. Und dass die Tiere Spaß an der Herausforderung haben. Foto: Zänker

Dr. Immanuel Birmelin (hier 2015 in Dresden mit Elefanten von Sonni Frankello) ist davon überzeugt, dass gute Tierlehrer eine ganz besondere Form der Kommunikation mit ihren Tieren demonstrieren. Und dass die Tiere Spaß an der Herausforderung haben. Foto: Zänker

 Rund 60.000 Dresden besuchten in den zurückliegenden drei Wochen den 21. Dresdner Weihnachtszirkus. Sie kamen nicht nur wegen der Artisten, sondern sahen mit Begeisterung auch Pferden, Kamelen, Seelöwen, einem Känguru und einer Katze zu. Ginge es nach der Tierschutzorganisation PETA, wäre der nächste Weihnachtszirkus komplett tierfrei. Große runde Kulleraugen, schwarz glänzendes Fell und Flossen zum Winken – die Seelöwen Lola und Lappy brauchten keine Minute, um die Herzen der Zuschauer zu erobern. Unglücklich sahen sie dabei wirklich nicht aus. Genauso wenig wie die Tiger und Löwen, mit denen der Italiener Manuel Farina auftrat – und zwar in einer selten gesehenen spielerischen Art ohne jegliches Peitschenknallen oder gebrüllte Kommandos. Wie groß also ist das Leid der Zirkustiere wirklich? Sind Tierdressuren im Zirkus überhaupt noch zeitgemäß? Und wäre ein Zirkus ohne Tiere noch ein „richtiger" Zirkus?

Verbotsliste

Wie schwierig der Umgang mit dem Thema ist und wie schwer sich viele Kommunen damit tun, zeigt die lange Liste jener Städte, die sich der Forderung von PETA Deutschland bereits freiwillig angeschlossen haben. Aktuell sind es 72 Städte und sechs Berliner Stadtbezirke, die keine Wildtiere in der Manege dulden. In Ostdeutschland scheint das Thema erst 2016 angekommen zu sein, denn im Vorjahr verabschiedeten Chemnitz, Eisenach, Leipzig, Erfurt, Rostock und Schwerin entsprechende Verordnungen. Nur Potsdam steht schon seit Mai 2011 auf der Liste jener Städte, in denen „Wildtier"-Auftritte verboten sind. Schaut man sich allerdings die Liste an, fallen Unterschiede auf: Die meisten verbieten Zirkusnummern mit Bären, Giraffen, Nashörner und Elefanten, einige haben auf ihrer No-go-Liste noch Tiger und Affen aufgeführt (Rostock), andere wollen Kängurus vor Sprüngen durch die Manege schützen (Schwerin) oder Flusspferde verbieten (Leipzig und Potsdam). Allen gemein ist, dass Zirkusse, die mit solchen Tierarten reisen, nicht auf öffentlichen Flächen spielen dürfen. Findet sich dagegen eine Wiese in Privatbesitz und der Besitzer hat Freude an Giraffen, die ein-, zweimal durchs Rund laufen, dann könnte das theoretisch vor Publikum stattfinden. Was wiederum zeigt, wie halbherzig mit dem Thema umgegangen wird. Andere Länder wie Belgien, Bulgarien oder Bosnien-Herzegowina gehen da rigoroser vor, indem sie Wildtiere im Zirkus generell und überall verbieten. Die Rot-Rot-Grüne Stadtratsmehrheit prüft übrigens gerade, ob und in welchem Umfang sie sich dem Thema anschließt. Auf der Liste der verbotenen Tierarten sollen voraussichtlich Elefanten, Bären, Nashörner, Nilpferde und Menschenaffen landen.

Hoher Standard

Natürlich gibt es auch andere Stimmen, die meinen: Elefanten, Tiger und Co. können sehr gut im Zirkus leben. Dazu gehört das Aktionsbündnis „Tiere gehören zum Circus", das sich kürzlich mit einem offenen Brief und einer Stellungnahme zu PETA-Vorwürfen in Bezug auf den Weihnachtszirkus an Dresdens OB Dirk Hilbert wandte. So schreibt Verfasser Daniel Burow „Deutschland ist Vorreiter in Sachen Tierschutz im Zirkus. Schon 1990 ließ das zuständige Bundesministerium..., Leitlinien für die Haltung, Ausbildung und Nutzung von Tieren in Zirkusbetrieben‘ erarbeiten. Keine andere Tierhaltung wird in Deutschland so regelmäßig durch die Veterinärämter kontrolliert wie die im Zirkus." Dazu sei belegt, dass Löwen oder Elefanten bei guter Haltung in den Zirkussen deutlich länger lebten als ihre Artgenossen in freier Wildbahn. Verhaltensforscher Dr. Immanuel Birmelin, auch Sachverständiger für Tierschutzfragen, bescheinigt sogar: „Aus verhaltensbiologischer Sicht gibt es kein Argument gegen Tiere im Zirkus." Bei einem guten Tierlehrer könne man Zeuge einer außergewöhnlichen Mensch-Tier-Beziehung werden. Zootiere hätten wesentlich mehr Langeweile, das sie nicht beschäftigt würden. Außerdem wies er mit wissenschaftlichen Tests am Beispiel von Löwen des Circus Krone nach, dass der Transport für der Tiere kein Stress sei. „Es werden mehr Hunde zu Hause gequält als Tiere im Zirkus", sagt Birmelin. (cpö) Infos: www.tiere-gehoeren-zum-circus.de/ 


Meistgelesen