Carola Pönisch

Früher war mehr Wetter

Über das Wetter des vergangenen Jahres ist viel geschrieben worden. Ein Superlativ folgte dem nächsten. Nun liegen die aktuellen Zahlen des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) vor und bestätigen genau unsere Wahrnehmung.
Foto: Pohl

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 „Früher war mehr Wetter“, würde Loriot heute vielleicht sagen. Und die meisten Menschen sind ja ohnehin der Meinung, dass die vier Jahreszeiten früher ihre Namen zu Recht trugen. Winter war Winter, weil es Schnee und Kälte gab. Zuverlässig in den Winterferien wurden Ski, Schlitten und Schlittschuh rausgeholt und auf Wiesen, Hügelchen und zugefrorenen Seen benutzt. Die Sommer waren warm und an einigen ganz heißen Tagen gab‘s Gewitter. Verlass war auf Aprilwetter und Herbststürme. Doch das ist alles im wahrsten Sinne Schnee von gestern. Am 28. Januar, just am Tag der Bekanntgabe der Auswertungsdaten für das sächsische Wetter 2015, zeigte das Thermometer 14 Grad bei Nieselregen.  Wie also war das Wetter über Sachsen? „Auf jeden Fall zu heiß, zu trocken, zu sonnenreich“, so das äußerst verknappte Fazit von Dr. Johannes Franke, Klimareferent im LfULG. 2015 geht als zweitwärmstes Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1781 in die Geschichte ein. Ein Blick auf die akribisch aufgelisteten Zahlen, Daten, Kurven und  Fakten beweist es: Die Sonne schenkte uns durchschnittlich 21 Prozent mehr Sonnenstunden, die Jahresmitteltemperatur  lag 1,9 Grad höher (als Vergleich dient generell die Klimareferenzperiode 1961 bis 1990), es war viel zu trocken und es gab viel zu viele heiße Tage über 30 Grad. An den Messstationen in Görlitz wurden zum Beispiel sechs Mal mehr heiße und 67 Prozent mehr warme Tage, dafür aber nur drei Frosttage (normal: 30) gemessen, in Dresden-Klotzsche gab es 24 heiße und 48 warme Tage (zu sieben bzw. 37), dafür aber nur vier Tage unter null, wo es in der Vergangenheit mindestens 26 gab. Wie extrem es zuweilen wirklich zuging zeigt wiederum die Betrachtung einzelner Monate. Schon der Januar war zu warm, der Februar schockte mit 65 Prozent mehr Sonnenstunden, aber 80 Prozent weniger Niederschlag als normal. März und April waren ebenfalls viel zu sonnig, der Mai extrem trocken (-70%), Juli und August galten ebenfalls als extrem zu warm, der Oktober bescherte dann aber ein Viertel mehr Regen als üblich, der November toppte alles mit zu viel Wärme und 70 Prozent zu viel Niederschlag  und als wäre das nicht genug geht schließlich der Dezember 2015 als extrem zu warmer, zu sonniger (+80%) und zu trockner (-60%)  Monat in die Annalen ein. All diese Wetterkapriolen haben natürlich Auswirkungen auf das Klima. Die tendenzielle Erwärmung bringt aber nicht nur Verlierer hervor, sondern auch Gewinner. Dazu dürften sich alle Sonnenanbeter  zählen, Menschen also, die absolut nicht auf Klimafunktionswäsche und Outdoorbekleidung stehen und Stubenhocker werden, sobald ein kühles Lüftchen weht. Auch Gastronomen, Open-Air-Veranstalter, Eis- und Getränkeverkäufer, Blusen- und Bikinihersteller blickten auf ein gutes Jahr 2015 zurück. Anders die Landwirte, denen der Mais mal nicht von Schädlingen weggefressen wurde, sondern von der Sonne versengt, ebenso wie Wintergerste und Zuckerrüben. Die zusehen mussten, wie Feldmäuse immer dicker und zahlenmäßig immer mehr wurden und plötzlich mit dem Gelbverzwergungsvirus kämpften. Nachdem Januar vorbei ist und der Februar seine erste Dekade gemeistert hat, dürfte klar sein: Auch 2016  könnte ein Jahr der Extreme werden. An 14 Grad Ende Januar kann sich aus der Generation 50+ keiner erinnert. Es war wohl wirklich mehr Wetter früher.


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