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Das Spiel ist zu Ende

Großartige Premiere von „Cavalleria rusticana“ und „Der Bajazzo“ an der Semperoper

Es war ein äußerst dramatisches Spiel, fast schon ein Krimi, an dessen Ende tosender Applaus losbrach. Das Publikum der Semperoper feierte die erstklassigen Sängerinnen und Sänger, den Opernchor und die Staatskapelle mit stehenden  Ovationen und Bravo-Rufen. Die  Opern „Cavalleria rusticana“ und „Pagliacci“ („Der Bajazzo“) erlebten am Samstag, dem 16. Januar, in der Semperoper Dresden eine außergewöhnliche Premiere. Als Koproduktion mit den Osterfestspielen Salzburg wurde die Aufführung der beiden Stücke, die 60 Jahre lang nicht in Dresden zu erleben war, mit großer Spannung erwartet. Einen Vorgeschmack darauf hatten interessierte Musikfreunde schon bei den Fernsehsendungen im April vorigen Jahres bekommen. Aber live ist eben live. Dass die Zuhörer vor Begeisterung fast aus dem Häuschen waren, liegt nicht nur an der mitreißenden Musik der italienischen Komponisten Pietro Mascagni und Ruggero Leoncavallo, die Stefano Ranzani als musikalischer Leiter in allen Nuancen zum Klingen brachte, sondern vor allem an der gekonnten Inszenierung von Philipp Stölzl. Der Regisseur und Bühnenbildner dieses Doppelabends hatte für die szenische Umsetzung einen großen Setzkasten mit vier Guckkästen entworfen, in denen man das dramatische Geschehen fast simultan verfolgen konnte. In entscheidenden Szenen werden die Protagonisten wie im Kino in Großformat gezeigt, so dass  ihre Gefühle zum Greifen nahe sind. Hier spürt man die Handschrift eines Könners, der Filme wie den Bestseller „Der Medicus“ oder das historische Bergdrama „Die Nordwand“ schuf und Videos für Stars wie Madonna drehte. Mit sicherem Blick inszeniert der gelernte Bühnenbildner „Cavalleria  rusticana“ ganz in Schwarz-Weiß, den „Bajazzo“ dagegen bunt und farbenprächtig. Dadurch kommen die musikalischen Kontraste beider Stücke, die seit ihren Uraufführungen 1890/92 fast immer zusammen aufgeführt werden, besonders gut zum Ausdruck. Ihre Gemeinsamkeit liegt darin, dass beide Opern leidenschaftliche Eifersuchtsdramen sind, die tödlich enden. In  „Cavalleria“ wird Turiddu, den der rumänische Tenor Teodor Ilincai kraftvoll singt, vom Ehemann seiner einstigen Jugendliebe Lola in einem Duell getötet. In tiefer Trauer bleibt Santuzza zurück, die von der Mezzosopranistin Sonia Ganassi ergreifend  gesungen wird. Im „Bajazzo“ ersticht der vor Eifersucht rasende Canio, dem der russische Tenor Vladimir Galouzine überzeugend Ausdruck verleiht, seine Frau Nedda und deren  Liebhaber Silvio. Aus der angekündigten Komödie wird auf offener Bühne eine Tragödie, so dass das Publikum nicht weiß, ob es noch Schauspielkunst oder wahres Leben ist.  „Das Spiel ist zu Ende“ – ist der letzte Satz des betrogenen und verzweifelten Bajazzo.  „Cavalleria rusticana“ und der „Bajazzo“ stehen am 19. und 22. Januar sowie am 3. und 6. Februar wieder auf dem Spielplan der Semperoper. (gs)


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