Birgit Branczeisz

Blitzabriss an der Carolabrücke

Dresden. Jetzt geht es darum, schnell alle abgestürzten Teile der Brücke wegzuräumen, bevor das Hochwasser kommt. Aber schon jetzt ist klar - die Carolabrücke muss komplett neu gebaut werden.
Die erste Technik rückt an, alle herabgestürzten Teile der Brücke müssen vor dem möglichen Hochwasser weg.

Die erste Technik rückt an, alle herabgestürzten Teile der Brücke müssen vor dem möglichen Hochwasser weg.

Bild: J. Männel

Das angekündigte Hochwasser am Wochenende zwingt zu schnellem Handeln. Der  eingestürzte Zug-C der Carolabrücke muss abgerissen werden. Zu groß ist die Gefahr, dass das Hochwasser sonst größere Verheerungen anrichtet. Die Aktion läuft bereits auf der Neustädter Seite. Alle noch oben liegenden Teile werden heruntergeholt, der durchgebogene Teil und auch der Kragarm auf  der Neustädter Seite. Unternehmen, Bundeswehr, THW arbeiten dafür zusammen, schwere Technik ist angerückt. Die Betonteile werden  zertrümmert und abtransportiert.

Die Straßenbahnschienen und die Fernwärmeleitung müssen abgetrennt werden. Dafür sind auch Sprengungen in den Abendstunden nötig. Für die Trennung der Versorgungsleitungen wird ein Schneid-Spreng-Verfahren verwendet. Die Straßenbahnschienen werden mittels Thermitschneidverfahren voneinander getrennt. Beide Verfahren werden nacheinander durchgeführt. Die Helfer wollen noch vor dem Hochwasser alle herabhängenden Teile weg bekommen. Die erste Idee, die Brücke mit Stützen zu sichern, wurde schnell verworfen, weil sich  keine Gründung für die Stützen fand und diese ein weiteres Wasserhindernis wären. Am Freitagvormittag wird  auf der Seite Terrassenufer der Abriss der Reste von Zug-C vorbereitet.

Auch die Perspektive ist klar: Der Schaden an der Brücke ist durch die Wucht des Einsturzes und die Verschiebung des Oberbaus so groß, dass nur ein Neubau infrage kommt. Am Montag wird sich eine Task Force  treffen, die die Verkehrsführung ohne Carolabrücke entwirft. Die Zeit ohne Brücke wird Jahre dauern. So viel steht heute bereits fest.

Die nächsten Tage geht es zunächst um Gefahrenabwehr: Die Wetter-Prognose geht von einen starken Regengebiet aus, das sich in den nächsten 72 Stunden vor allem über Österreich abregnet.  Für das Einzugsgebiet der Elbe ist Mitte nächster Woche ein kleineres Hochwasser zu erwarten. Die genauen Höhen sind noch ungewiss, es wird darauf ankommen, an welcher Stelle es wie viel regnet - das Landeshochwasserzentrum rechnet mit 6,50 Metern und 8 Metern an der Augustusbrücke.

Auch mit den tschechischen Kollegen ist die Stadt rund um die Uhr im Austausch. Die Hochschule Nürnberg und die Landestalsperrenverwaltung (LTV) haben modelliert, was die Brückenteile in der Elbe bewirken könnten. Ergebnis: Es soll keine signifikanten Auswirkungen geben. Die  Brückenteile werden um- und überflossen, dadurch nimmt die Strömungsgeschwindigkeit zwischen den Brücken zwar zu, aber bereits hinter der Marienbrücke wird sich das nivellieren. Aufpassen müssen Anlieger auf der Altstädter Seite im Oberstrom-Bereich.

Sollte der Blitz-Abriss gelingen, stellt sich die Frage: Wie weiter  mit der Carolabrücke? Tiefbauamtsleiterin Simone Prüfer erläuterte vor dem Stadtrat aktuell die wichtigsten Fakten zum Zustand der Brücke:  Alle drei Züge sind in der Mitte verbunden über einen Querträger, der abgerissen ist. Zug-B (Verkehrsversuch Radfahrstreifen) hat sich abgesenkt, er wird gerade vermessen, die Werte werden abgeglichen. Zu sehen ist das schon an den Geländern, die sich im 20-Zentimeter-Bereich voneinander entfernt haben. 

Zug–A und –B werden derzeit ständig überwacht. Bei einem Drohnenflug über dem Pfeiler wurde festgestellt, dass es zu einem kompletten Versagen der Spannglieder kam. Als mögliche Ursache nannte Simone Prüfer „Korrosion“. Außerdem hat ein Mittelgelenk einen frischen Riss – „wir wissen nicht, ist erst das Gelenk gerissen oder haben erst die Spannglieder versagt, das wird derzeit untersucht“, so die Tiefbauamtsleiterin.

Simone Prüfer betonte mehrmals auf Nachfragen der Stadträte, in die Spannglieder könne man nicht unmittelbar  hineinschauen. Entweder man prüfe sie zerstörend punktuell oder begutachtet die Risse, was die Stadt Dresden tue, auch bei Zug-A und –B. Ende 2023 gab es noch einmal eine Sonderprüfung aller Elbbrücken, auch der Carolabrücke: „Zug-C war unsere beste Brücke“, so Prüfer. Mitte 2020 fand die letzte große Hauptprüfung statt. 1996 hatte es eine grundlegende Sanierung mit  Chloridentzug und Tausch der Lager gegeben. „Hätten wir etwas festgestellt, hätten wir ganz anders gehandelt. Im Prüfbericht gibt es keine Aussage, dass die Brücke einsturzgefährdet ist“, so Simone Prüfer.

Zug-C hatte die Note 3 erhalten, allerdings sage das allein nichts über die Standfestigkeit aus – da genüge bereits ein zu niedriges Geländer, um im Punkt Verkehrssicherheit schlechter abzuschneiden. Besonders tragisch: Die Sanierung war ursprünglich ab Oktober 2024, schließlich – weil die Ausschreibung erst im August erfolgte – ab Januar 2025 geplant. Zur Verbreiterung der Gehwege war extra Carbonbeton verwendet worden, weil die Brücke statisch nicht stärker belastet werden sollte.

Es gibt keine zweite baugleiche Carolabrücke – Dresden hat 314 Brücken, 72 Prozent befinden sich im sehr guten bis guten Zustand, so die Stadt. 

 

Weitere Beiträge zum Einsturz der Carolabrücke

* Einsturz Carolabrücke - Betonfraß und Rost

 


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