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Peter Maffay, Scooter, Xavier Naidoo und Helene Fischer, sie alle haben den Song "Über sieben Brücken musst du gehen" interpretiert. Es handelt sich um die Titelmusik zu einem 1978 gesendeten Film des DDR-Fernsehens, der in einer Kraftwerks-Region nahe der deutsch-polnischen Grenze spielt. Mit dem Lied von Karat ist die Band nicht nur groß, ein bisschen reich und berühmt geworden, sondern irgendwie auch in einer besonders engen Schublade gelandet: Karat gelten als Musterbeispiel des ambitionierten lyrischen Softrocks made in DDR. Jetzt feiern sie 50. Bandjubiläum und spielen auch in Cottbus.
Karat hatten ihre Karriere keineswegs mit ambitionierter Rockmusik begonnen, sondern mit praktischer Wohlfühlmusik für die amüsierwillige Jugend. Sprich, Karat enterten die Musikwelt ab 1975 als Tanzband, das erste Konzert fand in Heidenau bei Dresden statt. Gitarrist Bernd Römer hat es nie vergessen: "Wir haben damals alle Tanzsäle in der DDR von Norden bis Süden bespielt. Fünf Stunden lang beim Jugendtanz bekannte internationale Stücke nachgespielt, wir hatten ja auch anfangs kein eigenes Material."
Zu dem Zeitpunkt hatte sich nach einigen Personalwechseln die erfolgsträchtige Besetzung mit Keyboarder und Songschreiber Ulrich "Ed" Swillms sowie Sänger Herbert Dreilich herauskristallisiert. Bald lieferten sie Songs, die gleichermaßen in Ost und West reüssierten. "Der Blaue Planet" vertonte in den 80ern perfekt den Zeitgeist, der sich um die geschundene und von Krieg bedrohten Erde sorgte. Auch andere Songs mit ihrer lyrischen Überhöhung, die sich zuweilen der Kitschgrenze näherten ("Schwanenkönig"), öffneten Ohren und Herzen eines Millionenpublikums.
Doch in den später 80ern wurde die verklausuliert-sanfte Karat-Musik weniger erfolgreich aufgenommen. Die DDR-Jugendlichen dürsteten nach klaren Worten, die ihre Unzufriedenheit mit dem Aufpasserstaat schnörkellos beschrieben.
Den (vorläufigen) Rest besorgte die Wende 1989, die Karat wie alle Ostbands mit einiger Wucht traf. Zwar grüßte ewig das mediale Murmeltier: "Die Band, die den Maffay-Hit ‚Über sieben Brücken' wirklich schrieb". Doch das überdeckte auch ihr aktuelles Schaffen, ebenso wie einige nichtkünstlerische Schicksalsschläge: Vor allem der Tod von Herbert Dreilich, der 2004 an Krebs starb.
Danach ist sein Sohn Claudius erfolgreich in die väterlichen Fußstapfen getreten und hat inzwischen schon mehrere Alben mit der Band eingespielt. Zuletzt das Album "Hohe Himmel". Bei dem verschmelzen Songs und Sound wieder zu einem Mainstreampoprock, der die softig-lyrische Band-DNA enthält. Sie stürzt alte Karat-Fans nicht in Sinnkrisen, zieht freilich auch nur begrenzt neue Fans an. Für Sänger Claudius Dreilich geht es aber nicht anders, um die Seele der Band zu bewahren. "Es gibt ein festes Fundament, bestehend aus bekannten Songs, zumeist aus der Feder von Ed Swillms: ‚Albatros', ‚Der blaue Planet' oder ‚Schwanenkönig'. Aber getragen wird unsere Musik generell von einer Ernsthaftigkeit, die man fühlen kann. Und man muss als Band eine gute Gemeinschaft sein, auch wenn man sich mal streitet." Manchmal hätte es den Zusammenhalt nicht mehr gegeben, so dass es zu Veränderungen gekommen sei. 2023 schieden die langjährigen Mitglieder Christian Liebig und Michael Schwandt aus, dafür kamen Bassist Daniel Bätge und Schlagzeuger Heiko Jung.
So harmonisch wie Karat-Songs läuft es bandintern halt nicht immer. Da wäre man als Band wirklich keine Ausnahme, findet Claudius Dreilich. Ansonsten steht die vor der Herausforderung aller gereiften Bands: Wiedererkennbar und trotzdem nicht altbacken zu klingen. Für den Sänger geht es darum, nicht in Routine zu verfallen, so dass die Musik irgendwann eingestaubt klinge. "‚Albatros' spielen wir heute auch anders als früher. Eine musikalische Entwicklung muss einfach stattfinden. Das kommt aber, wenn man sich mit anderer Musik beschäftigt, was wir aber alle tun." Claudius Dreilich geht selbst oft zu anderen Konzerten und guckt sich tatsächlich auch mal Punkbands an. "Dann staubt die eigene Musik nicht ein."
Gunnar Leue
Konzert: 14. März Cottbus, Stadthalle