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C. M. Schwab/kun

Kontrolliert kiffen: Damit‘s nicht wie beim Festival riecht

Cottbus/SPN. Ein sehr gemischtes Publikum kam der Einladung in den »Bunten Bahnhof« Cottbus nach, um einer Expertenrunde zu folgen, die über das Pro und Contra der Cannabis-Legalisierung diskutierte.

Martin Werner (l.), Vorsitzender des Cannabis Social Clubs Cottbus, und Phillip Noack, Suchttherapeut, mit seinem Präventionskoffer.

Martin Werner (l.), Vorsitzender des Cannabis Social Clubs Cottbus, und Phillip Noack, Suchttherapeut, mit seinem Präventionskoffer.

Bild: Tudyka

An diesem Abend stellte sich auch der in Gründung befindliche Cannabis Social Club Cottbus e.V. (CSC-CB) vor. Entsprechend der im Frühjahr durch den Bundestag beschlossenen Regelung sieht sich der Verein als Anbaugemeinschaft, welche ihren Eigenbedarfsanbau gemeinschaftlich organisiert. Auf dem Podium saßen neben dem Vereinschef auch ein auf Suchtprävention spezialisierter Sozialpädagoge sowie ein Rechtsanwalt.

Das Publikum war im Durchschnitt eher Ü50. Womit wohl schon ein Teil der Realität erkennbar war – dass bis dato illegal Marihuana konsumierende Szene-Klientel dürfte sich kaum um einen staatlich zugelassenen, organisierten Rausch scheren wollen. Dort hat man seine eigenen Vertriebswege und Community. Hier jedoch setzt das Konzept des Cottbuser Cannabis-Clubs an: »Wir wollen Licht in den dunklen Teil des Cannabis-Konsums bringen«, formuliert Vorsitzender Martin Werner fast schon poetisch – um anschließend vom »episch hohen Aufwand« der Vereinsgründung zu berichten.

 

Jede Abgabe gleicht einer Präventionsveranstaltung

Es gäbe fast nichts, was nicht bis ins Detail gesetzlich geregelt wäre – und das wohl über das Maß des so schon komplizierten deutschen Vereinsrechts hinaus. Ohne Rechts- wie auch Steuerberatung wären der selbstständige Cottbuser Mediendesigner und sein Gründungsteam nicht weit gekommen. »Aber gut«, so Werner, »das ist halt das Resultat, worauf sich die politischen Entscheider einigen konnten. Jetzt gilt es, dass auch die Konservativen mit dem Thema Frieden schließen.«

Der Verein ist ein wirtschaftlich arbeitendes, aber nicht gewinnorientiertes Konstrukt. Streng reglementiert sind Mitgliedszahlen, Altersbeschränkung, Anbau, Aufzucht und Ausgabe von Pflanzen und Endprodukten. Jeder Samen, jede Pflanze und festgelegte Wachstumsstadien müssen zertifiziert und dokumentiert sein. Jeder Transport von Saatgut, Pflanze oder Droge muss angemeldet werden.

Im Verein braucht es einen geschulten Präventionsbeauftragten, die Kooperation mit psychosozialen Diensten sei verpflichtend. Martin Werner schmunzelt: »Jede Abgabe kommt einer Präventionsveranstaltung gleich.«

Damit sich der Anbau kostendeckend rechnet, ist eine Mindestabnehmerzahl (=Mitgliederzahl) nötig, da der Anbau modernsten Maßstäben und höchsten Sicherheitsanforderungen genügen muss. Das bedeutet Investitionen in Größenordnungen, was z.B. die Anmietung einer Halle und die Installation von effizienter Aufzucht-Technik betrifft. Allein der Einbau eines geforderten HiTech-Luftfilters kostet eine fünfstellige Summe. »Damit es nicht wie bei einem Festival riecht.« Da lacht nicht nur der Clubchef.

 

Konsum außerhalb der Grauzone

Warum aber engagiert man sich so für einen Cannabis Club? Martin Werner: »Wir wollen ein sicheres Produkt von hoher Qualität, mit genau definiertem Wirkstoffgehalt sowie Nebenwirkungen anbieten. Der Bedarf ist da, wird jedoch bis dato in einer Grauzone bedient. Da geht es wie in einem Schnapsladen zu, wo ich diverse Alkoholika kaufen kann, aber nirgendwo draufsteht, wieviel Prozent die haben.«

Was den Bedarf betrifft, wird durch die Fragen der Gäste deutlich, dass hier sehr differenzierte Ansprüche bestehen. Vom individuellen oder in Gemeinschaft gewünschten Genuss des Rausches bis zur medizinischen Anwendung als schmerzlinderndes oder Entspannung förderndes Mittel. Der Club bietet hier auch die Möglichkeit, sich darüber persönlich auszutauschen, so Werner. Man könne gemeinsam üben, wie man mit diesem »Genussmittel« umgehe, so dass es einem bekommt.

 

Cannabis im Blut: Verkehrstauglich?

Anschließend führte Henry Endler, Fachanwalt für Verkehrsrecht, aus, was die Cannabis-Legalisierung für die Teilnahme am Straßenverkehr bedeute. Da sich hier im Detail die Gesetzgeber noch nicht einig geworden sind, welche konkreten Grenzwerte für Cannabis im Blut gelten sollen und wie das Recht angewandt werden soll, lässt sich hier nur konstatieren: Nichts Genaues weiß man (noch) nicht. Denn mit Alkoholgehalt im Blut ist der Wirkstoff in der Hanfpflanze nicht vergleichbar.

Zu guter Letzt kam Pascal Noack, Suchttherapeut von der Tannenhof-Beratungsstelle, zu Wort, der deutlich machte: »Es gibt keinen risikofreien Cannabis-Konsum.« Seine Arbeit konzentriere sich jedoch vor allem auf den illegalen Konsum unter Kindern und Jugendlichen. Dort aber gehe es weniger darum, was man nicht darf, sondern viel mehr um eine »Lebensschule«. Drogenmissbrauch, so auch der von Cannabis, und die Gefahr von Abhängigkeit hänge zumeist damit zusammen, dass nicht gelernt wurde, auf natürliche Weise mit negativen Gefühlen umzugehen. Hier vor allem setze seine Arbeit an, so der Sozialpädagoge.

Das Fazit des Abends könnte in Abänderung eines alten Schlagers-Refrains so lauten: Wer soll das Bezahlen, wer hat so viel Geld – das ist nicht das Problem. Das Geld für den Konsum von Marihuana war und ist offensichtlich vorhanden, unabhängig davon, ob illegal oder legal erworben.

Wer soll das (alles) kontrollieren – scheint eher die reale Frage. Als ob Behörden und Verwaltungen aktuell in Deutschland nicht ohnehin schon genug zu tun hätten.


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