Klingbeil/bb

WM-Schiedsrichter Daniel Siebert zu Gast

Freital. Manchmal ist ein Perspektivwechsel notwendig. Ein Schiri erzählt, wie er Situationen erlebt hat.

Daniel Siebert, deutscher Referee bei der Weltmeisterschaft in Katar, zeigte im Freitaler Stadtkulturhaus seine Perspektive auf Spiele.

Daniel Siebert, deutscher Referee bei der Weltmeisterschaft in Katar, zeigte im Freitaler Stadtkulturhaus seine Perspektive auf Spiele.

Bild: Stephan Klingbeil

Daniel Siebert, deutscher Referee bei der Weltmeisterschaft in Katar, zeigte im Freitaler Stadtkulturhaus auf die Leinwand hinter ihm. Diese strittige Szene, sie schien womöglich der bisherigen Karriere als Elite-Schiedsrichter einen kleinen Dämpfer verpasst zu haben. Uruguay spielt im entscheidenden letzten Vorrundenpartie gegen Ghana. Beide können vor dem Duell noch ins Achtelfinale einziehen. Bis zur 85. Minute sieht es für die Südamerikaner hervorragend aus. Sie führen 2:0. Doch dann ändert sich das Spielgeschehen. Denn im Parallelspiel der Gruppe hat Südkorea gerade gegen Portugal den 2:1-Siegtreffer erzählt.

Die Asiaten waren in diesem Moment weiter - und Siebert hat plötzlich alle Hände zu tun. Uruguay braucht dringend ein weiteres Tor. Nur dann würde Südkorea noch überholt. In der Nachspielzeit fällt Uruguay-Star Edinson Cavani schließlich im Strafraum. Siebert muss in Sekundenbruchteilen entscheiden. Und er entscheidet. So wie sich das für einen Schiedsrichter eben gehört. Das Urteil des Berliners: kein Strafstoß. Das Stadion tobt. Der Weltmeister von 1930 und 1950 fühlt sich benachteiligt. Schlusspfiff. Beide Teams sind ausgeschieden. Und Siebert steht in der Kritik, pfeift danach bei dem Wüstenturnier kein drittes Spiel mehr. Natürlich ist auch diese Szene eine Nachbetrachtung wert an diesem unterhaltsamen Abend, an dem insgesamt fast 350 Schiedsrichter und weitere Fußballinteressierte ins Stadtkulturhaus gekommen sind. Der Kreisverband Fußball Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hatte eingeladen.

Es war die Jahresauftaktveranstaltung der Schiedsrichtergruppe des KVFSOE. Daniel Siebert bei vielen Schiedsrichtern ein Star. Sie schauen zu ihm auf, folgen fasziniert seinen Ausführungen. Bundesliga, Champions League, EM und dann auch noch die WM: Der Vater einer Tochter, der in Kürze zum zweiten Mal Vater wird, ist seinen Weg gegangen und hat sich seinen Traum erfüllt. Ein Elite-Schiedsrichter muss sich für diese Ehre qualifizieren, muss sich halten, steht unter Beobachtung. Es zählt auch hier das Leitungsprinzip. "Natürlich macht man auch Fehler, auch meine Schiedsrichterkarriere verlief nicht lineaer, da gab es immer auch Auf und Abs", erinnert sich Siebert. "Man muss aber Niederlagen als Chance begreifen, um es dann beim nächsten Mal besser zu machen." Als Jugendlicher aus Marzahn im Osten der Hauptstadt spielte er selbst Fußball, beim Nachwuchs vom 1. FC Union Berlin.

Schon mit 14 Jahren begann Siebert - zum frühestmöglichen Zeitpunkt damals - die Ausbildung zum Schiedsrichter. Lange war er in der Verbandsliga Spieler und Schiedsrichter. Die Erfahrungen, die aus beiden Perspektiven erwuchsen, möchte er nicht missen. "Ich kann das wirklich nur empfehlen, so lange wie möglich als Schiedsrichter auch selbst zu spielen", so Siebert. Das sei enorm hilfreich bei der Einschätzung von Spielsituationen. Siebert ist Stargast und Referent zugleich. Er erzählt von seinen Erfahrungen auf und am Fußballplatz. Spannend, kurzweilig.

Der regelmäßig auch international eingesetzte Unparteiische, der seit 2012 schon fast 150 Bundesligapartien geleitet hat, schreibt zudem fleißig Autogramme. Er lässt sich fotografieren und beantwortet Fragen der zahlreichen Gäste. Oberbürgermeister Uwe Rumberg ist Schirmherr der Veranstaltung. Dynamos langjähriger Schiedsrichterbetreuer, Jürg Ehrt aus Dippoldiswalde, ist mit Siebert befreundet. Er stellte der Kontakt her. Der selbst als Linienrichter aktive Ehrt ist Vereinsmitglied beim Hartmannsdorfer SV "Empor" 1922 und für den KVFSOE tätig. Siebert folgte nun erneut der Einladung des Kreisverbands Fußball. Und dann war da noch dieser nicht gegebene Elfmeter, bei der WM in Katar, der ihn wohl um einen weiteren Einsatz bei dem Wüstenturnier brachte.

In Freital natürlich ein Thema. Doch auch hier wäre ein Perspektivwechsel für manch Kritiker nicht schlecht gewesen, wie sich zeigt. Fast alle Zeitlupen im TV lassen ein mögliches Foulspiel erahnen. Doch diese eine Kameraeinstellung vom Zweikampf, die eben wohl nicht gezeigt wurde, nun aber die Leinwand im Stadtkulturhaus füllt, verdeutlicht: Siebert lag nicht falsch! Denn der Südamerikaner fädelt sich geschickt und vor allem im richtigen Moment ein - wird dann vom Gegner im Strafraum touchiert. "Für mich ist das kein Elfmeter", betont Siebert und zieht einen Vergleich mit einem Verkehrsunfall. "Wenn ein Autofahrer im Verkehr plötzlich seine Spur wechselt, ohne vorher zu blinken, und ihm dann jemand davon überrascht in sein Auto fährt, muss sich der Fahrer eigentlich nicht darüber wundern." Wieder Nicken. Wieder viel Zuspruch aus dem Publikum. Alles sind sich einig: So ein Abend kann gerne wiederholt werden.


Meistgelesen