Vertrauen in die Demokratie darf nicht erodieren
Während draußen vor der Neustadthalle die Bauern mit Hupkonzerten auf sich aufmerksam machten, begrüßte drinnen im vollbesetzten Saal der Sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer die Gäste. An seiner Seite standen der Landrat des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Michael Geisler, sowie Neustadts Bürgermeister Peter Mühle Rede und Antwort. Letzterer moderierte den Abend.
Der Redebedarf mit dem Regierungschef schien gewaltig zu sein. In seiner Begrüßung betonte der Ministerpräsident, dass er wissen wolle "wo der Schuh drückt". Das ließen sich die Neustädter nicht zweimal sagen. Das Themenspektrum der Anfragen war groß. So wollte man wissen, wie denn der Ministerpräsident mit dem neugewählten Bürgermeister von Pirna umzugehen gedenkt. Die Antwort von Michael Kretschmer fiel pragmatisch aus: "Es gibt Leute, mit denen muss man zusammenarbeiten. Dazu gehört auch ein demokratisch gewählter Bürgermeister".
Eine weitere Frage betraf den ungehemmten Zuzug von Flüchtlingen. Man solle sie doch arbeiten lassen, damit sie ihr Leben selbst finanzieren und möglicherweise die Kriminalität sinkt. Dazu sagte Kretschmer, dass sich seit 2015 vieles verändert habe. So gebe es beispielsweise die Chipkarte für Sachleistungen. Allerdings sei die Sache mit der Arbeit nicht trivial. Die Flüchtlinge würden immer Geld in die Heimatländer schicken. Ließe man sie arbeiten, würde dass Anreize setzen.
Außerdem sei Deutschland nicht gut aufgestellt. So würden nur 19 Prozent der geflüchteten Ukrainer arbeiten. Hier brauche es bessere gesetzliche Grundlagen. Manche Anfrage war von Frust geprägt Ein Ruheständler merkte an, dass er von seiner Rente in Höhe von 800 € kaum leben könne. Er warf dem Ministerpräsidenten vor, dass seine CDU seit über 30 Jahren regiere, und sich kaum etwas verbessert habe. Michael Kretschmer wies darauf hin, dass sich die Kosten für Sozialausgaben verdoppelt haben.
Er stellte fest, dass die Hälfte der Menschen in Sachsen im ländlichen Raum lebe. Man müsse dort die stationäre und die ambulante Versorgung in medizinischen Zentren zusammenbringen. Und er verwies auf eine Tatsache: "Als Frau Merkel noch in Berlin regiert hat, gab es keine Bauernproteste". Sachsen hätte 33 gute Jahre unter CDU-Führung gehabt. Ihm gehe es immer um den Wettbewerb der besten Ideen, denn die Sachsen seien schlaue Leute.
Zum Krieg in der Ukraine sagte Michael Kretschmer, dass das Sterben aufhören müsse. Und zu den Protesten der Bauern bemerkte er, dass es keine Planungssicherheit für die Landwirte mehr gebe. Er könne mit der erratischen Politik in Berlin wenig anfangen. Interessant war die Anfrage eines Neuntklässlers aus Stolpen, der darauf hinwies, dass er mitunter nur vier Stunden Unterricht am Tag habe. Der Ministerpräsident sagte dazu, dass die Abwanderung ausgebildeter Lehrer in andere Bundesländer durch die Möglichkeit der Verbeamtung gestoppt werden konnte. Er machte aber auch klar, dass die Kombination aus hohem Gehalt und sicherem Arbeitsplatz problematisch sei.
Insgesamt konnten während der zweistündigen Veranstaltung 16 Anfragen zumindest eine teilweise befriedigende Antwort erfahren. Problemkreise wie die CO2-Steuer, die kommunalen Selbstverwaltung, der Ärztemangel, der Pflegenotstand und vielen weiteren Themen wurden angesprochen, aber nicht ausdiskutiert. Zum Schluss bedankte sich eine Neustädterin bei Michael Kretschmer für seinen Einsatz. Das quittierte der Ministerpräsident gewohnt eloquent mit der Feststellung, er sei eigentlich gewohnt: "nicht geklagt ist gelobt genug".