Müller/ Farrar

Großenhain muss nicht gerettet werden

Großenhain. Die bundesweite Initiative »Die Stadtretter« ist im Juni 2020 gestartet. Seitdem sind bereits mehr als 1.300 Kommunen und Unterstützer Mitglied bei den »Stadtrettern« geworden - jetzt ist auch Großernhain dabei! Gemeinsames Ziel aller Beteiligten ist die Stärkung der Innenstädte und die Rettung des Einzelhandels auf kommunaler Ebene.

Eine Gesprächsrunde mit den Stadtrettern im Geschäft von Karin Roisch auf dem Großenhainer Hauptmarkt: Tom Quenstedt, Wirtschaftsförderer der Stadt Großenhain, Stefan Müller-Schleipen und Ariane Breuer, Mitbegründer der Initiative, sowie Alexander Ehrke, Zentrumsmanager der Stadt Großenhain (v.r.). Die Geschäftsinhaberin wünscht sich unter anderem einheitliche Öffnungszeiten der Innenstadtgeschäfte.

Eine Gesprächsrunde mit den Stadtrettern im Geschäft von Karin Roisch auf dem Großenhainer Hauptmarkt: Tom Quenstedt, Wirtschaftsförderer der Stadt Großenhain, Stefan Müller-Schleipen und Ariane Breuer, Mitbegründer der Initiative, sowie Alexander Ehrke, Zentrumsmanager der Stadt Großenhain (v.r.). Die Geschäftsinhaberin wünscht sich unter anderem einheitliche Öffnungszeiten der Innenstadtgeschäfte.

Bild: Müller

Die Initiative »Die Stadtretter« ist dabei eine zentrale Plattform für den Austausch von Kommunen, Immobilienwirtschaft, Unternehmen und Einzelhandel. Alle Beteiligten haben die Möglichkeit, voneinander und miteinander zu lernen. Für Kommunen und Wirtschaftsförderungen ist die Mitgliedschaft bei den Stadtrettern kostenlos.

 

»Die Innenstadt von Großenhain hat Potenzial - sie muss sich aber verändern, wenn sie zukunftsfähig sein soll«, erklärt Stefan Müller-Schleipen, Mitbegründer der Initiative Stadtretter und ergänzt: »Zu den dringlichsten Aufgaben gehört es jetzt, Leerstände zu beleben, die Aufenthaltsqualität zu erhöhen und die Vernetzung der Stadtgesellschaft voranzutreiben.« Diese Themen werden jetzt in Großenhain angegangen. Das Resümee ist deutlich positiv. Die Stadt muss nicht gerettet werden, allerdings ist es wichtig, dass sie sich unter anderem dem Thema Unternehmensnachfolge annimmt. Das sind einige der ersten Erkenntnisse des Besuchs der »Stadtretter« in der Großen Kreisstadt. Der Großenhainer Wirtschaftsförderer Tom Quenstedt, hatte eingeladen, die Innenstadt mit dem »Blick von außen« zu erkunden. In Großenhain läuft derzeit das Projekt »Freundliche Übernahme«. Es zielt darauf ab, scheidende Mieter und Inhaber von Ladenlokalen mit potenziellen Nachfolgern zusammenzubringen. Die »Stadtretter« werden das Projekt in den kommenden Monaten begleiten. Großenhain ist übrigens die erste Stadt im Osten Deutschland, welche diese Zusammenarbeit anstrebt. Beim Auftakt des »Stadtretter«-Besuchs ging es darum, in Workshops und Diskussionsrunden zunächst die drängendsten Herausforderungen für den Handel und die Innenstadt zu identifizieren. Dazu kamen zahlreiche Akteure aus verschiedenen Bereichen der Stadt zusammen.

 

Treffpunkt für alle Altersgruppen

 

Die »Stadtretter«-Vertreter Ariane Breuer und Stefan Müller-Schleipen nahmen zunächst die Rolle von Moderatoren ein. »Keiner kennt die Stadt besser als die Menschen, die hier leben. Wir haben bei den Gesprächen mit ihnen ein Gespür dafür bekommen, wofür Großenhain ihrer Meinung nach steht«, sagt Stefan Müller-Schleipen. »Als wir fragten, was die Teilnehmer mit Großenhain in Verbindung bringen, wurden fast ausschließlich positive Eigenschaften genannt – das ist schon bemerkenswert«, fügt Ariane Breuer hinzu und meint: »Insbesondere die Vielfalt des inhabergeführten Einzelhandels wurde immer wieder lobend erwähnt.« Wenn nun die Weichen für Großenhains Zukunft gestellt werden, müssen die Bürger unbedingt mit in den Prozess eingebunden werden. Das ist das Ergebnis einer Abstimmung aller Teilnehmer der Auftakt-Veranstaltung. »Insbesondere mit Blick auf Maßnahmen zur Steigerung der Aufenthaltsqualität ist ein Partizipationsprozess gewünscht«, sagt Stefan Müller-Schleipen. Zudem wurde deutlich, dass der Wunsch – und die Notwendigkeit – besteht, die Innenstadt in einen »Treffpunkt für alle Altersgruppen« zu verwandeln. Dazu gilt es, im öffentlichen Raum entsprechende Aufenthaltsorte mit Ruhe- und Sitzmöglichkeiten zu gestalten, an denen sich Menschen in angenehmer Umgebung aufhalten können, ohne zwangsläufig Geld dafür ausgeben zu müssen. »Wir haben dafür auch schon erste Plätze und Räumlichkeiten identifizier«, verrät Ariane Breuer:

 

Für freundliche Übernahme sensibilisieren

 

Wie groß der Bedarf für Veränderung ist, zeichnet sich bereits jetzt ab. Großenhain wird in naher Zukunft etwa zehn Prozent aller inhabergeführten Läden in der Innenstadt verlieren. Falls nichts passiert, besteht im Jahr 2030 nur noch die Hälfte des heutigen Einzelhandels.Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass für viele Geschäftseigentümer, die sich nach der politischen Wende im Einzelhandel selbständig gemacht haben, nun der Schritt in den Ruhestand ansteht. Insofern hat insbesondere das Thema Nachfolgersuche eine besondere Bedeutung. Um hier Lösungen zu finden, kommt in Großenhain bereits jetzt die digitale Matching-Plattform »Leerstandslotsen« zum Einsatz. »Wir wollen mit unserem Projekt der Freundlichen Übernahme schon frühzeitig die Weichen stellen und Ideen und Bausteine entwickeln, wie wir mögliche Nachfolgeregelungen unterstützen können. Hier wollen wir agieren, statt reagieren«, so Tom Quenstedt. »Gleiches gilt auch für Gründer und Neueröffnungen von Geschäften«, ergänzt Alexander Ehrke, Zentrumsmanager der Stadt Großenhain. »Wir wollen allen den Weg bereiten oder sie unterstützen, um unsere Innenstadt attraktiv zu halten.« »Schon der erste Tag unseres Besuchs in Großenhain hat uns gezeigt, dass die Menschen den Wandel ihrer Innenstadt aktiv mitgestalten möchten«, sagt Ariane Breuer. »Darauf werden wir in den kommenden Monaten aufbauen – und freuen uns schon darauf«, so Stefan Müller-Schleipen.

Informationen unter: www.die-stadtretter.de


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