"Wir basteln an der Zukunft"
Das Team Künstlerische Leitung der neuen Bühne Senftenberg mit Intendant Daniel Ris, Chefdramaturgin Karoline Felsmann und Hausregisseurin Elina Finkel geht in seine dritte Spielzeit. "Die jüngsten zwei Spielzeiten erfüllen uns mit großer Dankbarkeit", erklärt der Theaterchef im HERMANN-Gespräch. "Die neue Bühne ist ein wesentlicher Ort der Begegnung. Unsere Besucher finden gute Unterhaltung, aber auch Auseinandersetzungen zu wichtigen Themen unserer Zeit, unserer Gesellschaft, unserer Stadt und Region. Und: Wir haben mehr Besucher als vor der Corona-Pandemie - das haben nur wenige Theater in Deutschland geschafft."Ergebnis erfolgreicher Arbeit: Ging das Team vor seiner Amtszeit auf Tour, um Wünsche und Anregungen der Senftenberger an ihr Theater zu erkunden, so sei daraus eine dichte Vernetzung mit allen entstanden, die in der Region kulturschaffend sind, und für all jene, die die Kultur und besonders das Theater als wichtiges Lebensmittel betrachten.
Für diese Verbindung scheint das jüngste Festspiel "Werkstatt Theater" ein beredtes Beispiel zu sein. Ris: "Das neue Werkstattgebäude ist unser ganzer Stolz. Immerhin wurde es durch über acht Millionen Euro Fördergelder aus dem Topf des Strukturwandels möglich. Als der geöffnet wurde, hatten mein Vorgänger Manuel Soubeyrand und der damalige Technische Direktor Axel Tonn weitsichtig Pläne in der Schublade, die nun Wirklichkeit geworden sind. Im FestSpiel war unser Angebot an die Theaterbesucher ,Wenn ihr wissen wollt, wie unsere Stücke entstehen, welches gegenständliche und geistige Handwerkszeug wir brauchen, und was mit dem Geld geschehen ist, nehmt unsere Einladung in die Werkstatt an! Ein Blick hinter die Kulissen und gleichzeitig das Theater als Werkstatt für unsere Gemeinschaft. Was ist ein gutes Leben? Wie kommen wir dorthin. Was bewirkt lebendige Demokratie?' Und ich bin rundum glücklich über das, was unser Team aus dem Festspiel gemacht hat."
Nach dem Festspiel ist vor dem Festspiel oder besser: ist vor der ersten Premiere. "Ja, am 8. November steigt ,Tingel-Tangel - eine Friedrich Hollaender Revue'. Das ist eine Hommage an den berühmten Kabarettisten der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts, bekannt durch den Song ,Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt', dem Marlene Dietrich zu Weltgeltung verholfen hat. Hollaender, der, selbst Jude, immer vor Antisemitismus (,Höchste Eisenbahn', ,An allem sind die Juden schuld') gewarnt hat, musste sich vor den Nazis in Sicherheit bringen und nach Amerika emigrieren."
Da ist eine Linie in der neuen Bühne erkennbar, auf der auch "Cabaret" und "Comedian Harmonists" in den vergangenen Spielplänen liegen. "Ja, für uns ist die sogenannte Schuld- und Schamkultur, von der die AfD spricht, ganz im Gegenteil wichtige Erinnerungskultur. Unterhaltsames Musiktheater ist dazu kein Widerspruch. In dieser Linie stand auch das Musical ,Hair' im vergangenen Sommer. Ein solcher Blick in die Vergangenheit gibt Impulse für die Gegenwart und weist in die Zukunft. Unser Anspruch ist ja: Wir basteln an der Zukunft unserer Gesellschaft. Dazu braucht es ein Theater für alle, das wir uns auf die Fahnen geschrieben haben. Die Mischung im Spielplan macht es."
Trotzdem noch mal zum Musical. Wo und wann hat es Daniel Ris gepackt? "Als junger Mensch war ich eine Weile wirklich verliebt in die Stadt New York, sozusagen die Welthauptstadt des Musicals. Später habe ich in Musicals einige wichtige Rollen gespielt, u.a. Seymour im ,Kleinen Horrorladen' und später Pontius Pilatus in ,Jesus Christ Superstar'. Mich begeisterten der Zauber der Musik, die Emotionalität und bei den besten Musicals der Hintergrund und die Aussagekraft. ,Der kleine Horrorladen' ist ab 22. Februar in unserem Haus zu sehen. Ich freue mich auf meine Regiearbeit mit einem ausgezeichneten Team. Es ist ein Musical, das auch für unsere Zeit eine wichtige Geschichte erzählt. Was unterscheidet die Suche nach dem persönlichen Glück von gefährlicher Gier?"
Aber zum "Theater für alle" der kommenden Saison gehören auch, beharrt Daniel Ris, die Loser-Komödie "Warten auf'n Bus" des Lausitzer Autors Oliver Bukowski, das Märchen "Die Bremer Stadtmusikanten", "Das Tagebuch der Anne Frank" und das nächste Amphi-Theaterstück "Shakespeare in Love". Offensichtlich erwartet die Senftenberger und ihre Gäste eine unterhaltsame dritte Spielzeit mit ihrem Team Künstlerische Leitung und einem sehr kreativen Ensemble.