"Ich mache auch auf meinen Alben, was ich will"
Ihr aktuelles Album heißt "Zeppelin". Viele Musikfan denken bei dem Titel vermutlich gleich an Led Zeppelin.
Ja, auch ich bin ein Riesen-Zeppelinfan und kenne natürlich das berühmte Cover mit dem historischen Foto, wo das Luftschiff brennend zu Boden stürzt. Aber das ist nicht meine Verbindung zu Zeppelin.
Sondern?
Ich wohne am Bodensee, wo den ganzen Sommer über zwei, drei Zeppeline am Tag mit Touristen an Bord den See umrunden. Und das in einer Behäbigkeit, die total faszinierend ist, wenn man sich das anguckt. Diese Langsamkeit, in der der Zeppelin kreist, hat mich auf die Idee für die Platte gebracht. Es ist ein tolles Bild, um über Erinnerungen zu sprechen und das Leben behutsam Revue passieren zu lassen.
Sie singen davon, durch alte Zeiten zu schweben. Sind Sie ein Nostalgiker?
Ja, ich mag viele Sachen von früher, auch in der Verklärtheit. Meine Motorradsammlung zum Beispiel besteht hauptsächlich aus Retro-Bikes. Ich finde, die müssen einfach so aussehen wie Motorräder von 1950. Ich mag das Alte auch an meinem Haus aus den 70ern, das ich modernisiert habe.
Ihre Retroaffinität bezieht sich auch auf Musik?
Ich höre tatsächlich viel Musik von früher, wenn ich Sport mache: Genesis, Led Zeppelin, Black Sabbath. Das ist 50 Jahre her mit den Bands, aber ich höre die immer noch gern. Das geht ja vielen so. Das kriegst du auch nicht raus. Und ich lehne mich da auch etwas an, wenn ich Songs schreibe. Die Harmoniefolgen und Bögen, das ist alles automatisch bei mir voll Retro. Moderne Popmusik höre ich zwar auch gern, aber deren harmonischer Aufbau interessiert mich nicht. Ich kriege dazu keine emotionale Verbindung, anders natürlich als bei den alten Songs. Wobei ich durchaus auch neue Bands mag wie Ghost.
Eine schwedische Metal Band. Sie haben früher selbst in einigen Bands gespielt. Vermissen Sie das manchmal?
Das vermisse ich nicht, weil ich heute eine Band habe, die mich zum Großteil seit 25 Jahren begleitet. Was ich manchmal vermisse, ist diese härtere Spielweise.
Sie müssen sich vermutlich nichts mehr beweisen oder spüren Sie doch noch manchmal Erfolgsdruck?
Überhaupt nicht. Ich mache auch auf meinen Alben, was ich will. Mir redet keine Plattenfirma rein. Die sagt: Matthias mach einfach. Ich habe wirklich alle Freiheiten der Welt. Davon hätte ich als 30-Jähriger natürlich nur träumen können. Jetzt mit 66 kann ich mich frei bewegen und meinen Spieltrieb rauslassen. Ich spiele mit Ideen, mit Rockelementen, Gitarrenarrangements.
Sie sind heute voll im Schlagerfach eingeordnet. In den 1980ern war das ein verpöntes Genre.
Um Gottes Willen, das ging damals gar nicht. Ich hatte eine einzige schlagerlastige Platte in meiner Sammlung, die war von Stefan Waggershausen. Aber ich durfte die keinem von meinen Kumpels zeigen. Dabei war das gar echt coole Musik. Dann kam Lindenberg und man brauchte sich nicht mehr wegen deutscher Texte zu schämen. Udo hat mir, ähnlich wie Die Puhdys, City und Karat gezeigt, dass man musikalisch seine Emotionen in deutscher Sprache beschreiben kann, ohne beschissen zu klingen.
Haben Sie die Ostbands damals schon zur Kenntnis genommen?
Ja, ich habe mit 15, 16 das erste Die-Puhdys-Album gekriegt und war fassungslos. So wie die getextet haben, das konnte ich in meiner Schulband nicht. Das war so bildhaft. "Alt wie ein Baum möchte ich werden, so wie der Dichter es beschreibt" - auf so was wäre ich nicht gekommen. Mir wurde klar, ich muss auch eine andere Sprache finden. Und heute bin ich mit den Jungs von den Puhdys befreundet.
Man sagt, Freunde erkennt man in der Not. Sie waren jahrelang in der Not nach Ihrer Pleite. Haben Sie in der Zeit mehr Freunde verloren oder gewonnen?
Weder noch. Das blieb gleich. Es hat sich keiner abgewendet, außer natürlich ein paar Geschäftspartner, weil die mit mir kein Geld mehr verdienen konnten. Das kann ich aber nachvollziehen, denn kein Tourveranstalter arbeitet mit Jemandem, der keine Tickets verkauft.
Ihre Glückssträhne währt seitdem überaus lange. Noch Sorge, dass es mal wieder andersrum gehen könnte?
Nein, da habe ich das Privileg, eine Art Kultstar geworden zu sein. In den 90ern war ich ein Hype, jetzt bin ich ein etablierter Sänger und die Leute kommen gern zu meinen Konzerten. In denen spiele ich zu mindestens 75 Prozent alte Songs, weil die mich mit den Menschen verbinden. Und sie verbinden inzwischen Generationen. Das kann mir auch keiner mehr nehmen. Selbst wenn mich niemand mehr hören wollen würde, wäre ich wirtschaftlich in der Lage zu sagen: "Okay, dann gehe ich jetzt, setze mich auf die Parkbank und trinke ein Bier." Mir würde es an nichts mehr fehlen.