

Alle Stadträte haben zugestimmt. Selten hat sich der Wille der Stadtgesellschaft so euphorisch widergespiegelt, eine der schönsten und stadtprägendsten Villen mit samt dem wunderschönen Park zu erhalten.
René Kuhnt war überglücklich – und weiß worauf er sich da einlässt. Er hat sich den Zuschlag verdient. Die Stadt hatte ihm vor Monaten einen Hausmeistervertrag gegeben, er sollte die Villa notsichern – für 250.000 Euro maximal und Engagement. Ein Investor mit Probezeit sozusagen, aus der nicht einmal ein Kaufanspruch entstand. Kuhnt ist dieses Risiko eingegangen. So konnte die Stadt Radebeul testen, was er tut und er hatte die Chance, die Denkmalbehörden zu überzeugen – nach Dresden nun im Landkreis Meißen sowie das Landesamt für Denkmalpflege in Dresden, die beide durchaus skeptisch waren, vor allem hinsichtlich des Parks.
Oberbürgermeister Bert Wendsche hat das Anwesen schließlich in zwei Stufen ausgeschrieben: zunächst als Interessenbekundungsverfahren im Portal Immowelt, um den Kreis der Bieter seriös einzugrenzen. „Wir wollten nicht mit hundert Interessierten durch die Villa spazieren“, so Wendsche schmunzelnd. Geblieben sind tatsächlich von 7 zunächst 3 Interessenten, mit denen es dann eine umfassendere Besichtigung gab, in dessen Ausgang 2 verbindliche Angebote standen. Eines war gastronomisch orientiert und kam in diesem Umfeld so nicht in Frage. René Kuhnt überzeugte mit seinem Konzept alle. Etwa 70 Prozent des Parks werden sonntags öffentlich zugänglich bleiben. Das Esszimmer, das Damenzimmer, das Billardzimmer, der Weinkeller werden dafür zum Sonntagscafé - inklusive Sonntagsspaziergang im Park.
„Es haben sich schon die ersten Interessenten gemeldet, zum Beispiel die Schule, ob die Kinder dort zeichnen dürfen“, erzählt Kuhnt nach der Entscheidung vorm Rathaus. Hochzeiten, Geburtstage, kleine Kammerkonzerte, Lesungen, gehobene Kleinkunst sind ihm wichtig. Es soll eine behutsame, anspruchsvolle Nutzung werden, sowie auch die Vila selbst die Hand von Menschen mit Faible für Anmut und Schönheit verdient. René Kuhnt hat durch seine bisherigen Projekte bereits ein Netzwerk von Fachleuten um sich vereint. Er hat das „Pförtnerhaus“ am Kraftwerk Mitte gerettet und dafür den Staatspreis erhalten, außerdem das sogenannte „Armenhaus“ in Rennersdorf mit seinem schönen Saal.
Radebeul soll sein Zuhause werden: „In der Kolbe-Villa entstehen 4 oder 5 Wohnungen und ich möchte selbst dort wohnen. Im Anbau stelle ich mir eine Naturheilkunde vor – der Park gibt das her. Wir haben z.B. 30 uralte Bäume, die im Kataster geführt werden. Mit oberer Denkmalbehörde werde ich behutsam Totholz entfernen, außerdem möchte ich die sächsische Wegedecke wieder herstellen“, erzählt er über seine Pläne. Er komme sich gerade „in seinem Zuhause“ wie ein Archäologe vor, „ich finde dort Sachen, wie jetzt Schiebetüren mit Kurbeln in den Balkonen“, schwärmt er.
Schon am Donnerstag geht es mit dem Denkmalschutz bei einem Termin vor Ort nur um die Farbe der Turmspitzen. Farbproben werden genommen, eingeschickt, analysiert, Gespräche geführt. Unendliche Detailfragen warten jetzt auf Kuhnt. Das alles wird dauern, 6 bis 12 Jahre rechnet er, bis alles so hergestellt ist, wie es sein soll.
Dass das alles nach Märchenprinz klingt, steht sogar in einem Protokoll der Stadtratssitzung vom vorigen Jahr. Oberbürgermeister Bert Wendsche erinnerte daran, was gesagt damals eine Fraktion sagte, als sie den Rückkauf der Villa Kolbe durch die Stadt für einen symbolischen Euro ablehnte: „Der Wunsch, die Villa nach einer Notsicherung später wieder an einen Prinzen zu verkaufen, ist ein Märchen. Das Märchen vom Prinzen ist ein Wunschdenken, das nicht erfüllt werden wird. Es wird damit das Geld und das Vertrauen der Bürgerschaft verspielt.“ Wendsche konnte nun strahlend erwidern: „Wir können jetzt sagen, das Märchen ist wahr geworden. Es gibt diesen Prinzen und wir werden damit den Weg ebnen.“ Rückblickend ist er sicher: „Damals wie heute stehen wir als Stadt und ich persönlich dazu, wie wir vorgegangen sind. Wenn wir als Stadt sagen, wir wollen das Stadtbild erhalten, dann haben wir auch eine Eigenverantwortung, einen Rahmen zu geben und den Privaten nicht nur Vorgaben zu machen, was sie zu tun und zu lassen haben.“
Dass besagte Grünen-Fraktion diesmal nicht nur zustimmte, sondern klar sagte, sie habe die Dinge voriges Jahr falsch beurteilt, rechneten ihr die Stadträte hoch an. Denn einfach war die Entscheidung voriges Jahr eben nicht. Der vorherige Besitzer hatte die Villa nach einer Odyssee an die Stadt zurückgegeben. Ende der 1990er Jahr hatte er bereits eine Baugenehmigung erhalten, die nie in Anspruch genommen wurde und zwölf Mal verlängert wurde, bis die Stadt in Abstimmung mit dem Denkmalamt die Baugenehmigung zurücknahm. Auch die Notsicherung war nie erfolgt. Ursache des Konflikts war das Ansinnen, im Park zu bauen. Die Stadt gewann schließlich auch den Rechtsstreit dazu. Dass Denkmalschutz und Stadt das verhindert haben, ist eben kein „Verhindern“ von Investoren, sondern ein Bewahren eines Stadt-Ortes, der zu Radebeul gehört.
Die Villa Kolbe wurde 1890/1891 als Neorenaissance-Villa von dem Berliner Architekten und Regierungsbaumeister Otto March entworfen und u.a. von den Baumeistern Gebrüder Ziller errichtet. Die Villa verfügte damals bereits über einen Aufzug, eine Warmwasserheizung und war das erste elektrifizierte Haus Radebeuls und ein Kulturdenkmal.
Architektonisch eines der aufwendigsten Villenensemble der Stadt, hat sie darüber hinaus auch stadthistorisch herausragende Bedeutung. Die Villa wurde für den Chemiker Dr. Carl Kolbe, Generaldirektor der der Chemischen Fabrik von Heyden gebaut. Die Fabrik betrieb weltweit erstmals Arzneimittelsynthese im industriellen Maßstab. Dass die Rettung des Anwesens nach gut 30 Jahren Verfall wohl tatsächlich gelingt, grenzt wahrlich an ein Märchen.