

Es klingt verlockend, einen gesetzlichen Anspruch auf mehrere Tage bezahlte Freistellung für Bildung zu haben. In 14 von 16 Bundesländern ist das der Fall. Je nach Bundesland gibt's fünf bis zehn Tage Bildungsurlaub. Nur Sachsen und Bayern scheren hier aktuell aus. Dabei kann der Anspruch auf unterschiedliche Bildungsangebote angewandt werden wie berufliche Bildung, kulturelle Weiterbildung, politische Bildung oder auch Qualifizierungen im Ehrenamt.
Vom DGB wurde daher ein Volksantrag unter dem Titel "Gemeinsam für Bildungszeit" initiiert. Im Rahmen dieses Volksantrages wurden bereits im August vergangenen Jahres dem damaligen Landtagspräsidenten über 55.000 Unterschriften zu fünf Tage Bildungsurlaub übergeben. Im Landtag existiert dazu eine Drucksache zu einem Gesetzentwurf (DRUCKSACHE 8/1429).
Im Koalitionsvertrag haben sächsische CDU und SPD vereinbart: »Mit einem Qualifizierungszeitgesetz verankern wir das Recht der Beschäftigten ab 1. Januar 2027 auf drei Tage bezahlte Freistellung im Jahr. Die Inhalte der Weiterbildung dienen der beruflichen Weiterbildung, der Qualifizierung und Fortbildung zur Wahrnehmung eines Ehrenamtes sowie der politischen Bildung.«
Die Landtagsabgeordnete Elaine Jentsch sagt dazu: »Berufliche und politische Weiterbildung und Qualifikation halte ich grundsätzlich für sinnvoll und notwendig. Allerdings sollte in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit und Transformation nicht leichtfertig in die Arbeitszeitgestaltung eingegriffen werden. Wohlstand basiert auf geleisteter Arbeit.«
Zur Sicht der AFD sagt der Landtagsabgeordnete Timo Schreyer: »Während wir die berufliche Weiterbildung als wirtschaftlich und gesellschaftlich notwendige Maßnahme zur fortlaufenden Qualifikation von Fachkräften staatlich unterstützen wollen, bleibt eine private Weiterbildung, wie der Name schon sagt, Privatsache und darf nicht per Gesetz Arbeitgeber und Steuerzahler belasten. Einen gesetzlichen Anspruch auf jegliche Form der Weiterbildung erachten wir nicht als notwendig. Darüber hinaus lehnen wir grundsätzlich eine staatliche Finanzierung parteipolitisch oder ideologisch beeinflusster Weiterbildungsangebote ab.«
Sachsens Wirtschafts- und Arbeitsminister Dirk Panter befürwortet die Bildungszeit. Er sagt: »Die Bildungszeit ist ein sinnvolles Instrument, nicht zuletzt, weil die Anforderungen an die Beschäftigten immer weiter steigen. Arbeit verändert sich rasant und die Menschen brauchen ganz unterschiedliche Kompetenzen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Es macht einen großen Unterschied, ob ein Beschäftigter sich mit Zustimmung des Arbeitgebers innerhalb seiner aktuellen Tätigkeit weiterbildet oder ob er sich generell fortbildet, um in seinem Fachgebiet auf dem neuesten Stand zu bleiben, neue Kompetenzen zu erlernen - auch im Hinblick auf berufliche Perspektiven.«
Die Handwerkskammer Dresden sieht das Thema eher kritisch: »Das Thema Bildungsurlaub wird auch im Handwerk kontrovers diskutiert. Generell gibt es bei Arbeitnehmern im Handwerk, die sich ehrenamtlich engagieren, Interesse am Thema Bildungsurlaub. Dem steht eine Verteuerung der Arbeit gegenüber, was wiederum die Handwerksunternehmer umtreibt. Prinzipiell lässt sich sagen, dass eine gesetzliche Einführung von Bildungsurlaub nicht das entscheidende Instrument zur betrieblichen Fachkräfte-Gewinnung ist.«
In Berlin gibt es für Arbeitnehmer aktuell fünf Tage Bildungsurlaub, in Brandenburg sogar zehn, in Sachsen keinen. Deshalb hat sich das Regierungsbündnis aus CDU und SPD im Koalitionsvertrag vorgenommen, drei Tage Bildungszeit einzuführen. Die soll für berufliche Weiterbildung und Qualifizierung, Fortbildung im Ehrenamt sowie für politische Bildung genutzt werden können. Ein vom DGB mitinitiierter und im Landtag eingebrachter Volksantrag möchte sogar fünf Tage Bildungsfreistellung. Es steht zu vermuten, dass es noch in diesem Jahr zu einem Beschluss im Landtag kommt. Das Thema wird kontrovers diskutiert.
Pro vom Deutschen Gewerkschaftsbund, Anna Bernstorf, Pressesprecherin DGB-Bezirk Sachsen:
Die Bildungszeit ist eine Chance sowohl für die Betriebe als auch für die Beschäftigten in Sachsen. Die Bildungsfreistellung wird die Kompetenzen der Beschäftigten erhöhen und gleichzeitig die Attraktivität sächsischer Betriebe für Fachkräfte steigern. Fachkräfte haben heute die Wahl zwischen unterschiedlichen Jobs und da schauen sie umso genauer auf die Bedingungen, die ihnen geboten werden. Es ist nicht erklärbar, warum in Brandenburg ein Rechtsanspruch auf Bildungsurlaub besteht und in Sachsen aktuell noch nicht. Von dieser Verbesserung werden also auch die Betriebe profitieren. Sie werden attraktiver. Aus den anderen Bundesländern wissen wir auch, dass die Bildungszeit bzw. der Bildungsurlaub für die Betriebe machbar ist.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir alle mit der Bildungszeit gewinnen. Unsere Gesellschaft lebt in vielen Bereichen von der wichtigen Arbeit von Ehrenamtlichen. Die Ehrenamtlichen müssen ihre Weiterbildungen aktuell vor allem in ihrer Freizeit absolvieren dafür Urlaub nehmen. Mit der Einführung von Bildungszeit würde auch das Ehrenamt wieder attraktiver.
Contra von den Sächsischen Industrie- und Handelskammern, Lars Fiehler, Geschäftsführer Standortpolitik und Kommunikation/Pressesprecher IHK Dresden:
Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der sächsischen Industrie- und Handelskammern spricht sich explizit gegen die Einführung eines gesetzlichen Bildungsurlaubs aus. In der aktuell angespannten konjunkturellen Situation sind vielmehr betriebliche Entlastungen oder ein Belastungs-moratorium angezeigt. Die Kammern verweisen in dem Kontext auch auf den Koalitionsvertrag der Regierungsparteien, der ein Bürokratie-Moratorium insbesondere hinsichtlich eines Bildungsfreistellungsanspruchs bis 2027 definiert (siehe Koalitionsvertrag ).
Die Bedeutung kontinuierlicher Weiterbildung ist in einer Zeit rasant fortschreitender technologischer Entwicklung unbestritten. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Bildungsfreistellung ohne zwingenden Bezug zu betrieblichen Themen ist jedoch nicht der richtige Weg. Ein solcher Rechtsanspruch stellt nicht nur einen weiteren Eingriff in die unternehmerische Freiheit dar, sondern zieht Bürokratieaufwuchs und Kostenzuwachs nach sich.
Der Nutzen eines solchen Gesetzes ist im Gegenzug nicht belegt: Letztlich nutzen bundesweit gerade einmal 2 bis 3 % der Anspruchsberechtigten diese Möglichkeit.