Uwe Schieferdecker/ck

Zwingerbauhütte begeht 100-jähriges Jubiläum

Dresden. Bauhütten entstanden im europäischen Mittelalter zur Errichtung gewaltiger gotischer Kathedralen - die Dresdner Zwingerbauhütte hingegen ist eine weltliche.

Kai-Uwe Beger, Leiter der Zwingerbauhütte.

Kai-Uwe Beger, Leiter der Zwingerbauhütte.

Bild: Archiv Schieferdecker

Hubert Ermisch gründete die recht versteckt in der Packhofstraße gelegene Werkstatt im Jahr 1924. Damals, vor 100 Jahren, war der Zwinger schier in seiner Existenz bedroht. Die preußische Beschießung 1760, die Revolution von 1849 und schlicht der Zahn der Zeit hatten verheerende Spuren hinterlassen. Ermisch war nicht der erste Baumeister, der sich um die Erhaltung des wunderbaren Barockbaus bemühte. Allerdings arbeiteten seine Vorgänger mit Zement und dem Farbtopf, was die Schäden am Sandstein noch verschlimmerte. Hubert Ermisch war so der erste Meister, der sich dem Bauwerk mit fachlich-denkmalpflegerischen Methoden näherte. Er gilt uns heute völlig zu Recht als »Retter des Zwingers«.

Ich treffe Kai-Uwe Beger, der die Zwingerbauhütte seit 2019 leitet. »Das heutige Bild des Zwingers wird entscheidend durch Ermischs Zwingerrestaurierung von 1924 bis 1936 geprägt«, bekräftigt der 51-Jährige. Dabei liegt dessen Leistung auch und vor allem in der zweiten Zwingerrettung: Am 17. Juni 1945, nur Monate nach der Kriegszerstörung, verfasste er die Schrift: »Ist der Zwinger noch zu retten?«, sandte sie auch an die Sowjetische Militäradministration. Der Stadtkommandant Tjulpanow war glühender Kommunist, aber auch Kulturoffizier. Das Wunder trat ein: Im August 1945 startete der Wiederaufbau des Zwingers am Kronentor. In einer Zeit, als die ganze Stadt in Trümmern lag, stieß das unter den Bürgern auf wenig Begeisterung. Bis zu seinem Tode 1951 leitete Ermisch die Arbeiten. 1953 erklang im Zwingerhof die erste Zwingerserenade, zehn Jahre später wurde der Wiederaufbau abgeschlossen.

Die Bildhauer, Steinmetze, Restauratoren sehen sich heute Hubert Ermisch verpflichtet. Und doch geht die Entwicklung weiter: So hat Ermischs Ausruf: »Nie wieder Farbe am Zwinger!« heute keinen Bestand mehr, werden doch Lasuren zum Schutz des Sandsteins aufgetragen.

 

Warum braucht es die Zwingerbauhütte?

 

Aber warum braucht es die Zwingerbauhütte? Haben die Bildhauer in der Vergangenheit schlecht gearbeitet? Beger lobt zunächst den Sandstein, der elbabwärts bis Hamburg, aber auch beim Berliner Schloss verbaut wurde. Er sei ein ausgezeichneter Baustein, gut geeignet, ihn in Formen zu bringen. Gleichwohl hält eine freistehende Skulptur, die durchgängig Wind und Wetter ausgesetzt ist, nur ungefähr 70 Jahre. So manche der heutigen Plastiken stellen die dritte oder vierte Kopie dar. Schmunzelnd verweist Beger darauf, dass ein Menschleben schließlich auch rund sieben Jahrzehnte zähle.

Und doch gibt es ihn noch, den ursprünglichen Baustein, der noch aus der Werkstatt Balthasar Permosers stammt. Dazu gehören große Teile der Baukonstruktion. Aber auch die Hermen am berühmten Wallpavillon sind nach Abschluss der Sanierung im Jahr 2017 noch ursprünglich. Die augenblicklich am Stadtpavillon – gern auch als Glockenspielpavillon bezeichnet – laufenden Arbeiten werden voraussichtlich noch in diesem Jahr abgeschlossen.

Große Sorgen bereiten Kai-Uwe Beger der bauliche Zustand des Deutschen Pavillons wie auch der Sempergalerie. In den Folgejahren werden die Restaurierungsarbeiten zunächst mit einer Probeachse eingeleitet. Anschließend rücken die Fachleute der Zwingerbauhütte dem Sandstein mit Bürsten und feinem heißen Dampf-Wasserdruck zu Leibe. Bei der Oberflächenbehandlung wird die schützende Oxidationsschicht nicht angegriffen. Es bleibt also bei der eher dunklen Farbe des Sandsteins am Zwinger.

Doch vorher werden die Arbeiten im Zwingerhof abgeschlossen. Die Brunneneinfassungen und Sockel der Lampen sind hier Sache der Bauhütte. Als Vertreter der jungen Generation bearbeitet der Geselle Julius Nietzsch (19) aus Niederau einen Sandsteinsockel mit seinem hölzernen Klüpfel. Werden ihm in seinem Arbeitsleben die Aufgaben am Zwinger ausgehen? Sicher nicht.


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