Wird die Carolabrücke die neue Waldschlößchenbrücke?
Dresden. Die Stadt holt sich externen juristischen Rat. Das Rechtsgutachten soll bereits nach den Winterferien, Anfang März, im nächsten Bauausschuss vorliegen. Darin geht es einzig um die Frage, wie weit „Ersatzneubau“ auslegbar ist, ohne dass die Stadt über Jahre ins Planfeststellungsverfahren muss, was sie unbedingt vermeiden will. Doch mit welchen Änderungen ist der Punkt erreicht, an dem die neue Brücke planungsrechtlich eben nicht mehr die „alte“ Brücke ist. Was ziemlich bürokratisch klingt, entscheidet in der Praxis über sehr viel Geld und vor allem viele Jahre ohne neue Brücke.
Denn dass die Stadt keine Notbrücke hinstellen wird, ist beschlossene Sache. Dafür bräuchte sie auch umfangreiche Genehmigungen für die Bundeswasserstraße „Elbe“ und eine solche „sehr massive Stützkonstruktion“, so das Bauamt, würde nach ersten Rechnungen auch über 8 Millionen kosten – Geld und Zeit, die man sich sparen will.
Also soll ein „Ersatzneubau“ her und das ist die dreizügige Carolabrücke, keine zwei- oder einzügige Brücke. Doch der sozialistische Monumentalbau entspricht nicht den modernen Anforderungen an kleinteiligere Stadtquartiere und lebenswerte Plätze. Genau darauf baut auch die neue „Initiative Carolabrücke“ von Dresdnerinnen und Dresdnern auf, die sich vor allem um den Rathenauplatz und die St. Petersburger Straße Gedanken machen.
Doch selbst wenn die Stadt bei einem bloßen Nachbau der dreizügigen Carolabrücke bliebe – ist es juristisch noch ein „Ersatz“ der alten Brücke, wenn die Planer an der genauen Lage der Brückenpfeiler etwas ändern müssen? Schon da wird es brisant und es braucht nicht erst die Diskussion um eine historische Variante. Auch Vorschriften und Regeln haben sich in den letzten 50 Jahren geändert – Fußwegbreiten, barrierefreie Zugänge, die Liste ist lang.
Wie man die Lage auch durchdenkt, alles gipfelt in der Frage: Ist es denn richtig heute eine Brücke aus dem Jahr 1971 wieder aufzubauen?
Diese Frage hat eben nichts mit schnörkligem Bauen oder Rückwärtsgewandtheit der Akteure zu tun. Auch in der eigenen Fraktion der Grünen trifft Baubürgermeister Kühn auf genügend Vorbehalte gegen den bloßen Ersatz der monumentalen Brücke – nur aus anderen Gründen. Das Modell Autostrada wollen viele abwählen.
Doch wenn man etwas anderes will - egal in welcher Form, dann muss Dresden ins Planfeststellungsverfahren gehen. Das ist so und das ist die eigentliche Diskussion für eine Entscheidung, die die nächsten 100 Jahre prägen wird. Ein Thema, das diskutiert werden muss.
Die einmalige Chance nutzen und eine schöne Carolabrücke nach historischem Vorbild bauen oder so schnell wie möglich den Ersatzneubau hinstellen? Stephan Kühn: „Ich kann nicht sagen, wie die Stadtgesellschaft das sieht – ich weiß es nicht. Das ist keine einfache Entscheidung!“
Denn in so einer Situation war noch keine Stadt oder Gemeinde in Deutschland. „Wir sind die Ersten, die vor so einer historischen Situation stehen. Auch die Landesdirektion ist zurückhaltend, denn es gibt keine Fallbeispiele, auf die man zurückgreifen kann“, so Kühn.
Klar ist für ihn, die Vorlage im Stadtrat soll nach dem Rechtsgutachten zügig kommen. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass man diese Frage ohne die Meinung der Stadtgesellschaft entscheiden kann. Der Einsturz der Carolabrücke war ein einschneidendes Ereignis von historischer Tragweite. Das kann man nicht nur im Stadtrat hinter verschlossenen Türen diskutieren, da sind wir gut beraten uns ein Feedback aus der Bürgerschaft zu holen.“ Kühn hofft, dass Dresden aus dem Fall der Waldschlößchenbrücke* gelernt hat und es gelingt, dass sich die Stadtgesellschaft diesmal nicht spaltet, sondern eine Lösung findet. Bezeichnender Weise jährt sich der Entscheid zur Waldschlößchenbrücke dieses Jahr zum 20. Mal.
Bei so viel Blick in die Zukunft, stellt sich die naheliegende Frage: Was wird denn nun mit dem Abriss von Brückenzug A und B? Die Stadt favorisiert die Option, zuerst den Einhängeträger auf der Elbe herauszunehmen, um die Fahrrinne frei zu bekommen. Die Kosten bewegen sich für den Abriss zwischen weiteren 10 bis 18 Millionen Euro. Knackpunkt hier: es wird dauern. Denn die Arbeiten müssen über Ausschreibungen vergeben werden, so Kühn.
Weder Bundeswehr noch THW können da einspringen, wie beim ersten Blitzabriss von Zug C, denn jetzt ist kein offizieller Status „Katastrophenfall“ ausgerufen – jetzt handelt es sich „nur“ um eine Gefahrensituation. Auch das will die Stadt aber noch rechtssicher klären, um schnellstmöglich zum Abriss zu kommen.
Stephan Kühns Fazit: „Wir können uns das Ganze nicht so hinbiegen, wie wir es manchmal gern hätten.“