Seitenlogo
Birgit Branczeisz

Was können Kitas noch leisten?

Dresden. Sabine Bibas ist für die Kitas in Dresden zuständig. Sie erklärt, wo die an ihre Grenzen kommen.

Sabine Bibas ist in Dresden für die Kindereinrichtungen zuständig. Sie sagt, wir alle müssen uns an die eigene Nase fassen.

Sabine Bibas ist in Dresden für die Kindereinrichtungen zuständig. Sie sagt, wir alle müssen uns an die eigene Nase fassen.

Bild: Branczeisz

Auf Google Maps gibt es den Trachenberger Platz 2 nicht. Aber der suchende Blick von der Trachenberger Straße bleibt am bunten Zaun hängen - das ist das "Haus der Kinder". Fünf Jahre alt ist das Haus geworden, in dem Krippen- und Kita-Kinder ihren Tag verbringen - und sie haben mitten in der City einen der schönsten Gärten, die Kitas aufbieten. Wie wachsen unsere Kinder heute eigentlich auf? Große Bäume spenden Schatten. Sandkästen, kleine Beete mit Lavendel, Minze und Melisse, die Kinder können sogar Wildkirschen und Felsenbirnen naschen.

Die "Wilde Ecke" mit Rutsche und Tunnelröhre zum Toben ist besonders beliebt. Der Aufgang mit großen Steinen und einem Seilgeländer ist aufregend für Kinder. Hier können sie ausgiebig klettern. "Kinder müssen lernen, Gefahren zu erkennen", sagt Leiterin Sara Nebauer, die froh ist, dass es diesen Garten gibt. Wahrnehmung gehört hier zum Grundkonzept. "Manche Kinder werden mit dem Tablet vorm Fernseher geparkt - da müssen wir ran", ist sie überzeugt. Kultusminister Christian Piwarz und Eigenbetriebsleiterin Sabine Bibas nicken. Bibas ist für alle Dresdner Kitas verantwortlich und wie es so ist, wenn man den Minister trifft, kommt man auf Grundsätzliches zu sprechen.

Nicht nur auf Erzieher, die angesichts schwacher Geburtenjahre bald abwandern könnten - es geht auch darum, wie die Kinder aufwachsen. Es gab noch nie so viele sozial-emotional auffällige Kinder, konstatiert Bibas für Dresden. "Ich habe mir nicht vorstellen können, dass ich einmal Kündigungen schreiben muss, weil Kinder nicht mehr führbar sind", sagt sie. Erzieher haben zwar bei Tür- und Angel-Gesprächen unmittelbar Kontakt zu den Eltern, allerdings fehlt die Zeit. Leiterin Sara Nebauer ist klar, in jede Einrichtung gehört ein Sozialarbeiter. Denn die Hemmschwelle, mit Erziehern oder auch der Erziehungsberatungsstelle zu sprechen, ist gerade bei Problemfamilien hoch.

"Mehr mit den Eltern zu arbeiten", stößt gerade dort an Grenzen der Ablehnung. Sabine Bibas formuliert es grundsätzlicher, wenn sie sagt: "Was kann Kita da noch reparieren? Da muss sich die Gesellschaft infrage stellen, was eigentlich unsere Werte sind. Ich bin auch oft in Osteuropa - da hören die Kinder und die wirken nicht geknechtet. Aber hier heißt es gleich, wenn ich mich einordne, bekomme ich eine psychische Krankheit. Sich an Regeln halten - da müssen wir uns als Gesellschaft an die eigene Nase fassen."

So hat im Jugendhilfeausschuss auch das Nachdenken eingesetzt, Betreuungszeiten mehr zu regulieren. Einen Monat zehn Stunden, den nächsten fünf Stunden, das geht so nicht, erklärt Sabine Bibas, denn die Kita muss die Erzieher vorhalten. Das wird eine heiße Diskussion werden, ist sie überzeugt, genauso wie die Frage, ob Eltern ihre Kinder bis um 8 Uhr in die Kita gebracht haben müssen, weil sonst immer wieder Unruhe entsteht. "Was ist schiefgelaufen?", das fragt sich auch Christian Piwarz. "Wir geben viel Geld in die Schulsozialarbeit und es wird schlimmer", lautet sein Fazit.

Mit Geld unterstützen ist eine diffizile Sache. Beispiel: das Essen in den Kitas oder Schulen. Kinder vom Mittag ausschließen ist keine Lösung 8,53 Euro kostet es für ein Kind im "Haus der Kinder" - macht rund 170 Euro im Monat. Mit zwei Kindern summiert sich das ordentlich, das Essen wird dann teurer als der Platz - und diese Kosten werden nicht gestützt. Was, wenn die Stadt das Mittagessen stadtteilweise ausschreiben würde? Dann würde es in Betriebskosten gehen und mehr Familien hätten Anspruch auf Unterstützung - aber eben keine Mitsprache.

Auf den Tisch kommt nach den Wahlen auch die Frage, ob die Eltern künftig Frühstück und Vesper mitgeben müssen. Was liegt dann auf den Tellern? Wie man es auch dreht, die Kinder werden bestraft, wenn sie vom Mittagessen ausgeschlossen sind, weil den Eltern das Essen zu teuer wird. Dann kommen diese Kinder auch nicht - und zwar genau diejenigen, die Sara Nebauer "wirklich gern in der Kita sehen würde". Immer mehr Geld ins System zu geben, bringt wiederum die Stadt in Abhängigkeiten - und den Kindern ist wieder nicht geholfen.


Meistgelesen