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Genossenschaft setzt neue Landmarke in Dresden

Dresden. Architekt Peter Zirkel entwirft ein Wohn- und Geschäftshaus und erhält einstimmig den Erlweinpreis für besonderes Bauen in Dresden.

Kein Klotz aus Glas. Das Wohn- und Geschäftshaus Striesener Straße 31 bis 33 ist ein Ziegelbau im warmen Gelbton mit runden Ecken. Nicht nur an der markanten Häuserkante - jeder Ziegel hat Viertelrundungen, erklärt Architekt Peter Zirkel aus Dresden. Dadurch wirft das kompakte Gebäude keine harten Schlagschatten. Die Steine selbst kommen aus einer Ziegelei bei Nossen, die nicht nur 150 Jahre Erfahrung hat, sondern deren Sande und Lehme sowohl für roten wie auch gelben Klinker geeignet sind. Der Gelbton hat Peter Zirkel überzeugt, steht Dresden doch ganz in der Tradition des Sandsteins. Parterre sind Geschäfte untergebracht, im ersten Geschoss Büros, darüber 24 Wohnungen von 66 bis 140 Quadratmetern. Tiefe Loggien als Balkone wirken wie grüne Zimmer - der Mieter sitzt geschützt vom Haus draußen. Hochwärmedämmende Fassaden sind mit Wärmerückgewinnung gekoppelt, die Betriebskosten sind dadurch niedriger. Einflüsse der Nachbarhäuser aufnehmen und doch starke Akzente setzen, das war das Credo des Architekten. Das ist ihm offenbar auf Anhieb gelungen. Eine Jury unter Leitung von Professor Jörg Joppien, Dekan an der Fakultät für Architektur an der TU Dresden wählte den Bau einstimmig unter 21 eingereichten Projekten zum Sieger des Erlweinpreises 2020, der jetzt nach zwei Corona-bedingten Pausen verliehen wurde.

 

Wohnungsgenossenschaft setzt Landmarke

 

Geehrt wurde nicht nur sein Team von gut hundert Mitarbeitern, sondern auch die Bauherrin - die Wohnungsgenossenschaft Johannstadt. Die kaufte 2014 das 1.400 Quadratmeter große Eckgrundstück in der Nähe zum Fetscherplatz und vergab 2016 den Auftrag zum Bau an das Büro von Peter Zirkel. Dass ausgerechnet eine Genossenschaft eine neue Landmarke für den lange vernachlässigten Wohnungsbau setzt, betont Peter Zirkel ausdrücklich. Eine Illustration aus der Gründerzeit Anfang des 19.Jahrhunderts wirft er an die Wand - sie soll verdeutlichen was er meint: Die unteren beiden Etagen waren einst die behaglichsten, komfortabelsten Wohnungen, hier lebte der Eigner. Je höher es geht, umso kleiner und niedriger wurden die Räume - oben wohnte der sprichwörtliche Künstler mit Regenschirm. Heute sind die begehrtesten Wohnungen die ganz oben - weit weg vom Lärm der Straße. Eigner sind jetzt alle - Anteilseigner einer Genossenschaft. Die oberen Wohnungen könnten eigentlich teurer vermietet werden, gibt Peter Zirkel allerdings zu Bedenken.

 

Sind heute Standards notwendig?

 

Ein zweiter Unterschied zu früheren Stadthäusern ist unter der Erde: die Tiefgarage, die zu jedem Haus laut Regelwerk sein muss, so Zirkel. Aber wenn für jedes Auto 25 Quadratmeter vorzuhalten sind und für ein Kinderzimmer nur zehn, dann könne mit diesen Regeln etwas nicht stimmen. "Wohnen darf nichts kosten, aber ein Pkw-Parkplatz muss immer noch preiswert eingerechnet sein", so Zirkel. Das seien Regeln, die Bauen teurer, aber nicht besser machen. Sind all diese Standards notwendig? Auch die Kosten der späteren Unterhaltung müssten bei Ausschreibungen anerkannt werden. Nur so lasse sich "gut und sozialverträglich bauen" - und das ist der Anspruch des Erlweinpreises.

 

Besondere Anerkennungen

 

Brühlsche Terrasse, Museum Festung Dresden

 

Ehrenfried-Walther-von-Tschirnhaus-Gymnasium

 

Schwimmsportkomplex Freiberger Platz

 

WER WAR ERLWEIN?

 

Hans Jacob Erlwein war von 1904 bis 1914 Hochbauamtsleiter in Dresden und hat Gebäude entworfen und gebaut, die die Stadt bis heute prägen: 68 Gebäude des kommunalen Schlachthofs in der neuen "Messe", Schulen wie das Hans-Erlwein-Gymnasium, den Gasbehälter Reick - heute das Panometer, den Erlweinspeicher, das Italienische Dörfchen - insgesamt 130 Bauten. Sein künstlerischer Grundsatz: "Ehre das überlieferte Gute und schaffe aus ihm Neues. Was aus der Luft geboren werden soll, wird niemals gut und neu." Seine Bauten signierte er mit einer kleinen Reliefplastik, ein Wappen mit einem Knaben im Weinkelter mit Erlenzweigen als Namenssymbol. Der Erlweinpreis wird seit dem 125. Geburtstag von Hans Erlwein 1997 alle vier Jahre verliehen.


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