Birgit Branczeisz

Eine Kirche, die ihr Blau einer Reise ihres Pfarrers verdankt

Weixdorf. Nach Monaten der Sanierung kann die Gemeinde wieder in ihre Kirche einziehen.

Die Weixdorfer haben ihre Kirche zurück. Am Sonntag wurde mit einem Festgottesdienst der Abschluss des großen, zweiten Bauabschnittes gefeiert: Die kleine Saalkirche ist bis auf den letzten Platz gefüllt, angeregtes Gemurmel, Staunen, wie alles geworden ist. Als die Kinder Kreuz und Blumenschmuck hereintragen, strahlen die Gesichter. Es ist „Halbzeit“, wird Architektin Claudia Domnick gleich in ihrer Rede sagen, ihrem Vater, vielen Baufirmen und helfenden Händen danken.

Für die Weixdorferin, die die Planungen übernommen hat, ist das ein besonderer, aufregender Tag. Hektisch waren auch die letzten Wochen, es wurde bis zuletzt geputzt, hergerichtet, eingerichtet. Ein Drahtseilakt war diese Sanierung der Kirche von 1912, denn fast jeder hat seine ganz persönlichen Erinnerungen an dieses Gotteshaus – was es zu bewahren und zu verändern gilt, wird auch am Küchentisch der Einwohner diskutiert, nicht nur im Architekturbüro. Vielleicht macht es das aus, was dem Gotteshaus jetzt so viel Lebendigkeit gibt, nicht nur die behagliche Moderne im historischen Ambiente. Der Ort mag seine Kirche. Dass der Ort 100.000 Euro zum 400.000 Euro-Projekt dazugegeben hat, resultiert auch daraus.

Es ist eine kleine, hübsche Kirche, die gefällig und anheimelnd im Ort steht – aller Prunk liegt ihr fern und doch zieht sie den Besucher in den Bann.  Dabei ist sie fast zufällig etwas Besonderes geworden. Denn eigentlich war das Kirchengestühl grau wie vielerorts. Empore, Bildfassungen – alles in schlichtem Grau. Wäre der Weixdorfer Pfarrer Siedel nicht eines schönen Tages nach Hiddensee gefahren, sie wäre beim nächsten Malern grau geblieben. Doch der Pfarrer hatte sich so in das Blau des Meeres verliebt, dass es 1912 die Farbe Blau sein musste. So kam das typisch nordische Blau nach Sachsen und die Weixdorfer Kirche hatte ihre gestalterische Besonderheit weg.

Eine gewöhnliche Dorfkirche war sie da trotzdem schon nicht mehr: Das lag an Pastor Samuel David Roller (1779-1850), der war nicht nur äußerst beliebt, sondern er wurde sogar eine literarische Figur. Der konfirmierte 1816 den Porträt- und Historienmaler Wilhelm von Kügelgen, der Roller 1870 in seinen postum veröffentlichten „Jugenderinnerungen eines alten Mannes“ ein literarisches Denkmal setzte – jetzt wurde das Gemeindehaus in „Pastor-Roller-Haus“ benannt. So steht sie nun da, die kleine, bedeutende Dorfkirche, mitten in einem lieblichen Ensemble mehrerer Gebäude.

Dach und Hülle sind vor gut 10 Jahren erneuert worden. Nur innen wurde in den letzten 30 Jahren nichts gemacht. „Da wurde es Zeit“, sagte sich Vereinsvorstand Alexander Manzke und gründete 2020 mit anderen einen Kirchbauverein. Sommercafés, Budenzauber und Spendenaktionen, die ersten 50.000 Euro kamen recht schnell zusammen. Zunächst wurden die riesigen schmalen Fenster  restauriert.

Die Holzwerkstatt Ulrich Haferland in Finsterwalde, Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Finsterwalder Restauratoren, nahm sich der Sache an.  Da Bildeinfassungen, Orgelgewandung  und Emporen bereits im Originalblau von 1912  eingefasst sind, bleibt es dabei. Die Ostseeliebe von Pfarrer Siedel ist denkmalwürdig. Nur die Bänke und die Säulen unterhalb der Empore bekamen einen helleren Blauton – denn in den 1960er Jahre hatte man einfach ein dunkleres Blau aufgetragen.  

Ob nun Ostsee- oder Himmelsblau, die kleine Saalkirche ist schmuck. Dafür sorgen Handwerker, die den Bauraum Kirche als etwas Besonderes schätzen. Im Sommer kamen dann die Heizkörper, wieder Bankkonvektoren, die sich jetzt allerdings nicht bloß an- und ausschalten lassen, sondern via „Smarthome“ steuern. Das darf natürlich nur der Küster, betont Claudia Domnick.  Und die kleine Kirche hat dank der neuen Technik eine tolle Akustik. Da ließ man es sich nicht nehmen nach dem Gottesdienst ein paar schöne Bässe einzuspielen. Der Auftritt des Gospelchors wird sicher ein Erlebnis.


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