Ulrich Nelles / rob

Freital verliert Geburtenklinik

Freital. Demonstranten und Bürgermeister sehen die medizinische Versorgung von Frauen und Kindern massiv gefährdet.
Am 30. November versammelten sich über 300 Demonstranten auf dem Freitaler Neumarkt, um gegen die Schließung der Abteilungen für Gynäkologie, Geburtshilfe sowie Kinderheilkunde am Krankenhaus Freital zu protestieren.

Am 30. November versammelten sich über 300 Demonstranten auf dem Freitaler Neumarkt, um gegen die Schließung der Abteilungen für Gynäkologie, Geburtshilfe sowie Kinderheilkunde am Krankenhaus Freital zu protestieren.

Bild: U. Nelles

Ein schwarzer Mittwoch für zahlreiche Beschäftigte der Freitaler Weißeritztalkliniken: Am 13. November, vormittags um 10.30 Uhr, gab die Geschäftsleitung des Helios-Klinikums bekannt, zum 1. Dezember die Abteilungen für Gynäkologie, Geburtshilfe sowie Kinderheilkunde zu schließen. Diese drei Bereiche sollen künftig am Pirnaer Standort von Helios konzentriert werden.


Bürgermeister gegen Schließung

»Eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen für Leben und Gesundheitsversorgung unserer Bürger«, kritisieren die Stadtoberhäupter von Dippoldiswalde, Freital, Wilsdruff, Kreischa, Tharandt, Rabenau, Bannewitz, Dorfhain, Glashütte, Altenberg und Klingenberg. In einem offenen Brief an Ministerpräsident Michael Kretschmer und Ministerin Petra Köpping verweisen sie auf die fatalen Folgen, die entstehen können, wenn ein Kind plötzlich in Not gerät. »Auf viele junge Familien im oberen Kreisgebiet kommen damit unzumutbare Mehrbelastungen zu.« Für die unterzeichnenden Bürgermeister ist klar: »Der Wegfall dieser Stationen wirkt sich auch negativ auf die Lebensqualität unserer Region aus, in der 120.000 Einwohner zu Hause sind.« In einer Zeit, in der der Bedarf an gesundheitlicher Versorgung und Pflege eher wächst, sei dies ein fatales Signal für den ländlichen Raum. Darüber hinaus fordern die Stadtoberhäupter den Freistaat in dem Schreiben auf, sich für Lösungen einzusetzen und somit die gesetzlich festgeschriebenen gleichwertigen Lebensbedingungen sicherzustellen.

 

Demo gegen Schließung

 

Am Nachmittag vor dem 1. Advent hatten sich über 300 Demonstranten zum gemeinsamen Protest auf dem Freitaler Neumarkt versammelt: Kinderkrankenschwestern, Politiker und Ärzte. Darunter auch jene, die vor 62 Jahren die Kinderstation mitgegründet hatte. Für die leitende Stationsschwester Angelika Bretschneider steht außer Frage: »Unser Team war wie eine große Familie – jeder konnte sich auf den anderen verlassen.« In dem Zusammenhang erinnerte sie an den dreimaligen Besitzerwechsel des Freitaler Krankenhauses seit 1996 sowie die im Januar dieses Jahres vorgenommene Schließung des Standorts Dippoldiswalde der Helios-Kliniken. Stadträtin Claudia Mihaly-Anastasio sieht »ein System der Sicherheit gefährdet.« Und Freitals OB Uwe Rumberg (Konservative Mitte) zeigte sich in seiner Rede enttäuscht, dass kein Entscheidungsträger von Landes- oder Bundesebene sich zur Schließung äußern wollte. »Ich mache dem Helios-Klinikum nicht allein den Vorwurf, sehe das Problem eher in der desaströsen Gesundheitspolitik der Bundesregierung.« Das deutschlandweite Kliniksterben sei ein deutlicher Beweis.

 

Rückgang stationärer Nachfage als Begründung

 

In einer der Redaktion vorliegende Stellungnahme des Helios-Klinikums wird auf die stark rückläufigen Patientinnen- und Geburtenzahlen als Gründe für die Schließung verwiesen. Darin rechnet Dr. med. Fakher Ismaèel, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe, vor, dass man 2019 noch auf 414 Geburten gekommen sei. Nach 282 im vergangenen Jahr gehe man in diesem Jahr noch von rund 200 Geburten aus. Auch in der Kinder- und Jugendmedizin sehe man sich mit einem deutlichen Rückgang der stationären Nachfrage konfrontiert. Auf die Kritik an ihren Streichungsplänen reagiert die Klinikleitung vorsorglich mit einer langen Liste stationärer Angebote in der Umgebung. Die Aufzählung reicht vom Dresdner Klinikum über das Universitätsklinikum bis zum Krankenhaus Freiberg. Für die Verfasser des offenen Briefes ist das nicht akzeptabel: »So ein Verweis stellt für Betroffene einen unangemessenen zeitlichen Aufwand dar. Für dringend notwendige Eingriffe könne dann die Zeit einfach nicht mehr ausreichen.«


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