Silke Richter

Herzliche Hilfe für kleine Stachelhelden

Hoyerswerda. Herbstzeit ist auch Igelzeit. Viele Artgenossen haben es schwer, den Winter zu überstehen. Es gibt Menschen, die helfen.
Marlies Krannich mit einem ihrer Pflegtiere.

Marlies Krannich mit einem ihrer Pflegtiere.

Bild: Silke Richter

Eine Handvoll Elend hält Ariane Tietze in der Hand. Dem kleinen Igel geht es schlecht. Die Hoyerswerdaerin hat einen Anruf von einem Angehörigen bekommen, der zwei Igel in seinem Garten gefunden hat. Viel zu klein und zu dünn, um den Winter überstehen zu können.

 

Freie Plätze für kranke Igel sind rar

Es sind nicht die ersten hilfsbedürftigen Tiere, um die sich Ariane Tietze kümmert. Dennoch ist schnelle professionelle Hilfe gefragt. Aber es ist Wochenende. Nach der ersten Notversorgung geht es mit Recherche und Telefonieren weiter. Freie Plätze für kranke Igel sind, so wie jedes Jahr, fast schon Goldstaub. Die Hoyerswerdaerin hat Glück und findet Hilfe im Tierschutzzentrum Leuthen bei Cottbus. Trotz aller Hilfsmaßnahmen verstirbt ein Igelkind. Das andere Tier kämpft, wie derzeit viele weitere Artgenossen, um sein Leben.

 

Seit 20 Jahren »Igel-Mutti«

Erlebnisse, mit denen auch Marlies Krannich jedes Jahr aufs Neue konfrontiert wird. Seit 20 Jahren kümmert sich die Hoyerswerdaerin um hilfsbedürftige Tiere. Die gelernte Krankenschwester und Diplom-Ingenieurin in der Verfahrenstechnik ist als »Igelmutti« bekannt. Die EU-Rentnerin machte sich schlau, recherchierte über das Leben und die Pflege von kranken und untergewichtigen Igeln, suchte Kontakt zu Experten wie Tierärzten und Vereinen, die engagierte Igelhilfe betreiben.

 

Aufklärungsarbeit ist notwendig

Die nachtaktiven Tiere werden in der Regel drei bis vier Jahre alt. Wenn sie nicht zuvor von Autos überfahren, von Rasenmähern verletzt und getötet oder beispielsweise von Uhus, Dachsen und Füchsen gefressen werden, berichtet Marlies Krannich, die seit geraumer Zeit auch Projekttage in Kindereinrichtungen, Grundschulen und in Altersheimen in der Stadt und Region gestaltet, um Aufklärungsarbeit zu leisten und für das Thema zu sensibilisieren. Denn nicht selten muss sie erleben, dass bei der Erstversorgung von Igeln Fehler passieren, die den Tieren das Leben kosten können.

Mittlerweile hat sich Marlies Krannich um hunderte Igel gekümmert und einen Teil von ihrem zu Hause in eine professionell Igelstation umgewandelt. Sie ist für fast jeden Notfall ausgerüstet, um Erstversorgung leisten zu können. Seit 2023 hatte allein der Zoo Hoyerswerda 30 aufgenommene Igel an die Naturschützerin übergeben. Neben den hier heimischen, also europäischen Igeln bekam Marlies Krannich von privat auch schon afrikanische Weißbauchigel. Der Grund: Die Familie hatte sich diese Tiere angeschafft, weil sie so süß waren. Die exotischen Tiere brauchen Platz, Sachkenntnis, die richtige Temperatur und Ernährung. Dinge, mit denen sich die Familie zu wenig auseinandergesetzt hatte, worunter die Igel leiden mussten. »Die Tiere wurden wie Meerschweinchen gehalten. Sie sind leider wegen Inzucht verstorben«, blickt Marlies Krannich traurig zurück.

 

Weitere Igel-Helfer werden gesucht

Es gibt bei all dem Elend aber auch schöne Erlebnisse, wenn sich die Tiere erholen und wieder ausgewildert werden können. Zudem scheinen die kleinen Tierchen auch glücklich zu machen. Eine Seniorin entdeckt zufällig den kleinen Igel in der Hand von Marlies Krannich. Von jetzt auf gleich hatte sich der Gesichtsausdruck der Seniorin in eine fröhliche Mine verwandelt. »Genau dieses Gefühl ist es, welches ich bei Projekten immer wieder erleben darf. Ich freue mich, den Tieren helfen, Aufklärungsarbeit leisten und damit auch etwas Freude bringen zu können«, so Marlies Krannich die auf diesem Wege Unterstützung von Igelbetreuern sucht, um ein Netzwerk aufbauen zu können. Wer sich dafür interessiert oder die Arbeit anderweitig unterstützen möchte, kann sich gern bei Marlies Krannich unter 03571/ 413159 melden.

 

Kleine Igel-Hilfe für alle Tierfreunde

  • Aufgeschüttete Laubhaufen und Äste sind in den kalten Monaten nicht nur für Igel geeignete Rückzugsorte.
  • Igel, die am Tage unterwegs sind, einen kranken Eindruck machen oder abgemagert aussehen, brauchen Hilfe.
  • Wer es sich zutraut, kann die Tiere von Parasiten befreien.
  • Ein Karton, befüllt mit Zeitungen und Handtüchern sowie mit einer kleinen Schlafbehausung ausgestattet, gehört zu den ersten Notfallmaßnahmen.
  • Nicht einfach drauf los füttern. Igel vertragen nicht alles. Wichtig: Bitte keine Milch, sondern nur Wasser bereitstellen!
  • Beim Auffinden eines hilfsbedürftigen Igels unbedingt fachkundigen Rat einholen.
  • Wer bewusst Igelnester zerstört, muss in Sachsen mit 50.000 Euro Bußgeld rechnen.

 

Hier gibt's fachkundigen Rat

  • www.pro-igel.de 
  • Igelnotruf: 0157/ 74 70 32 72
  • Igelberatung (16-19 Uhr): 0151/ 20 16 66 38 und info@igelhilfe-radebeul.de
  • Notfallrufnummern für Igel und Eichhörnchen in Not: 035602/ 51437 und 01514/ 2843870

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