Birgit Branczeisz

Neue B6 schafft neue Betroffene 

Dresden. Cossebaude, Cotta, Mobschatz und die B6: drei Orte, ein Thema, drei Sichtweisen. Schlechter kann es für betroffene Anwohner in einem Baustreit nicht laufen.

Genau das passiert aktuell entlang der neu geplante Trasse einer Entlastungsroute für die alte B6. Sie soll südlich der Bahngleise, nahe Mobschatz verlaufen - zwischen der Ortslage Cossebaude-Stauseebad bis nach Cotta, Autobahnanschluss Dresden-Altstadt. In Cossebaude ist man froh, die Bürger zu entlasten. Die Cottaer sind zwar mittendrin in den beiden neuen Brennpunkten "Am Urnenfeld", wo Autos künftig nicht mehr über die Gleise kommen sollen, und mit dem Tierheim, das dann nur noch auf sechs Kilometern Umwegen zu erreichen ist. Doch irgendwie wird dem Stadtbezirksrat Cotta der ganze Schlamassel erst jetzt richtig bewusst, da ihnen erst jetzt zum ersten Mal über die B6neu berichtet wurde - mit dem Effekt, dass sich der Rat nach einer kurzen Auszeit zum Vortrag von Stadtplaner Dr. Matthias Mohaupt geschlossen der Stimme enthalten hat.

Keine Empfehlung also aus Cotta für den Dresdner Stadtrat in dieser gravierenden Sache und im Januar soll der Bauausschuss tagen. Maximilian Vörtler, Vorsitzender des Ortschaftsrates in Mobschatz, ist aufgebracht. Er fühlt sich von Cotta im Stich gelassen. In zweifacher Hinsicht - die eigenen aufgebrachten Bürger verlangen ein forsches Vorgehen, die Nachbarn halten sich raus. Dabei sollten sich die Orte zu komplizierten Baufragen jetzt schon entscheiden, die von der Fernstraßenplanungs- und Bau GmbH (DEGES) erst im Januar aktualisiert vorgestellt werden sollen. Und das auch erst auch Drängen in den wirklich betroffenen Orten. Dabei war die Sache von Anfang an verfahren - in den Unterlagen des Freistaates ist noch von Null Betroffenheit die Rede, exakt heißt es: 2.049 Bürger werden entlastet an der alten B6 und Null mit der neuen B6 belastet.

 

Plötzlich gibt es viele Betroffene

Inzwischen klassifiziert die DEGES selbst die Anlieger in schwer, mittel und leicht Betroffene ein und verspricht bei individuellen Lösungen Hilfe "für ganz schwere Fälle", so Stadtplaner Dr. Matthias Mohaupt. Wir sprechen von Haus-Abriss und vom Flächen-Abgeben. Von Entschädigungen, vielleicht Hilfe nach Grundstückssuche ist die Rede - jeder müsse aber selbst für sich verhandeln. Das klingt nicht nach verbindlichen Abläufen und Zusagen. Entsetzt sind die Bürger mittlerweile auch über die Kernpunkte der jetzigen Planung, die weitere Probleme nach sich ziehen. So steht im Bundesprogramm noch, dass die neue B6 auf 350 Metern in einem Tunnel zu verlegen ist und dass das Tierheim weiterhin über die Straße am Tierheim zu erreichen ist. Ein Tunnel wurde sogar öffentlich vorgestellt, allerdings nur für Fußgänger und Radfahrer - die Anwohner forderten da bereits, den Tunnel auch für Autos und Rettungsfahrzeuge frei zu geben.

Jetzt ist alles raus aus der Planung. "Die DEGES hat gemacht was sie will", so Ortschaftrat Peter Bartels. Er versteht die Tunnellösung als Vorgabe des Freistaates, an die sich der Bund nun nicht mehr hält und besteht hartnäckig darauf auf die ursprünglichen Zusagen zu bestehen. Andere winken ab. "Das bringt doch nichts", sagen sie. Denn der Knackpunkt ist der: Es darf keinen Knotenpunkt zwischen den Anschlussstellen Stausee und Dresden-Altstadt geben, sonst muss sich Dresden an den Kosten beteiligen und die gingen in die Millionen. Das will die Stadt aber unbedingt vermeiden. Konsequenz: Mobschatz und ein Wohngebiet von Cotta Stetzsch werden abgeriegelt.

 

Eine Brücke mit Aufzügen

Die Straße "Am Urnenfeld" soll Sackgasse werden. Stattdessen haben die Mobschatzer dann eine 7 Meter hohe Brücke am Bahn-Haltepunkt "Am Urnenfeld" vor der Nase, mit Aufzügen für Rad und Fußgänger, daneben eine 6 Meter hohe Lärmschutzwand. Das Karree würde eingehaust. Die Grundschule steht auf der anderen Seite. Hinter sich die Autobahn, vor sich die neue B6 entsteht so eine "Dresdner Enklave", wie es ein Bürger formulierte. Eine, in der die Mobschatzer immer "übern Berg müssen", so Vörtler und das Tierheim künftig nur noch über einen sechs Kilometer langen Umweg durch die Ortslage und eine neu zu bauende Straße "Am Hang" zu erreichen ist - eine Straße, die jetzt noch ein beschaulicher schmaler Wanderweg am Landschaftsschutzgebiet ist, vorbei an Streuobstwiesen, Eigenheimen und Koppeln.

Trotzdem pocht ausgerechnet Vörtler auf diese Versieglung, weil er fürchtet, sonst spielt sich alles auf den engen Berglagen mitten im Ort ab, wenn es diese letzte Zuwegung nicht gibt. Im Umwelt-Ressort der Stadt regt sich schon Widerstand und selbst einige Bürger bezweifeln, ob es diese Straße geben wird. Ortschaftsrat Vörtler hofft es dennoch. Denn der geforderte Autotunnel wird nicht kommen, da ist er sich sicher. Die DEGES sagt, dass der Tunnel technisch "nicht möglich ist", weil man zu weit in den Hang komme - wegen der Rampe mit 6 Prozent Steigung - zu viel laut Baurecht. Dass Anwohner, Zulieferer und Dienstleister dann aber über die kurvenreiche Ortslage, teils ohne Winterdienst, mit mehr als 10 Prozent Steigung müssen, spielt planerisch keine Rolle.

 

Tunnel nicht möglich?

Der Ortschaftsrat Mobschatz hat es nun in seinem Beschluss so formuliert: "Wenn der Tunnel technisch nicht möglich ist, dann solle man wenigstens am "Am Hang" zur Straße ausbauen. Viele Bürger halten das für ein Einknicken. Einwohner forderten in der Bürgerrunde, einen eigenen Sachverständigen hinzuzuziehen, denn Vörtler betont: "Ich bin kein Ingenieur, ich muss das glauben, was die DEGES sagt." Tatsächlich ist er immerhin beim Sächsischen Städtetag Referent im Ausschuss für Bau, Umwelt, Verkehr und Regionalentwicklung.

Ein weiterer Betroffener, der sich überlassen bleibt, ist die Kleingartensparte "Am Tummelsbach" - zweimal schönste Gartenanlage Dresdens - sie soll komplett verschwinden. Den meisten in der Nachbarsparte "Am Hang" wird es genauso gehen, ist KGV-Chef Udo Seifert sicher. Den privaten Kleingärtnern, die ihre Parzellen weiter vorn auf Bahngelände haben, sowieso. "Wie man sowas heute überhaupt noch ungestraft planen kann", fragt Udo Seifert. Viele werden weder das Geld noch die Kraft haben "auf der grünen Wiese" neu anzufangen. Die Stadt will die Kleingärten, insgesamt an die 100, umsiedeln. Wann und wohin, ist völlig unklar. Die Gartenfreunde wollen sich wehren und "die neue B6 verhindern". Bleibt abzuwarten, wie die Dresdner Stadträte das Problem sehen. Das Planfeststellungsverfahren beginnt nächstes Jahr und dauert sicher zwei Jahre, sodass nicht vor 2027 die Bagger rollen.


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