DRESDEN FEHLEN DIE WORTE
Am 9./10. Januar wurde die Gedenkinschrift für die Bombenopfer vom 13. Februar ‘45 entfernt. Still und heimlich – ein Vorgang mit Sprengkraft. Am hellichten Tag verschwanden die Worte an der Umrandung zum Eingang der Tiefgarage, mitten auf dem Altmarkt. Als Bürger und Stadtrat nachfragten, verschlug es den Dresdnern die Sprache. Eine subversive Gruppe, gar das Rathaus – wer hatte das veranlasst? Unglaublich. Stadträte waren fassungslos, die Kommentare im Netz quollen über.
Eine Antwort aus dem Rathaus blieb aus. Stattdessen kündigte man eine Erklärung an. Die kam dann, am 19. Januar! Ja, die Öffentlichkeit sei nicht informiert worden, hieß es schließlich. Noch schlimmer: Die Leiter des Straßen- und Tiefbauamtes und des Amtes für Wirtschaftsförderung hatten im Dezember 2022 mit dem Tiefgaragenbetreiber den Vertrag unterzeichnet, dass die Inschrift auf Kosten der Stadt entfernt wird. Schließlich habe man sich 2018(!) in einem Workshop der AG 13. Februar – an dem auch Stadträte teilgenommen hätten – verständigt, dass die Bank mit der Inschrift als Erinnerungsstätte ungeeignet sei.
Daraufhin entfernte die Arge Altmarktumbau vertragsgemäß die Inschrift. »Leider wurden die übergeordneten Führungsebenen nicht über diese Vereinbarung informiert«, heißt es noch etwas zerknirscht. Man möchte den Vorfall so darstellen, als habe da jemand lediglich etwas »vergessen mitzuteilen«. Von »unglücklicher Kommunikation« war vorab wörtlich die Rede in einer Pressemitteilung. Das ist eben keine »unglückliche Kommunikation« Doch dieser Vorfall ist nicht »dumm gelaufen«, sondern ein Skandal. Ein Skandal, weil sonst für alles Vorlagen, Konzepte und Wettbewerbe erstellt sowie Bürgerrunden initiiert werden.
Und dieses für Dresden so traumatische Thema soll nicht wichtig genug gewesen sein, von 2018 bis heute nicht mehr darüber zu sprechen? Weder im Stadtrat, noch in der AG 13. Februar, geschweige denn mit den Menschen dieser Stadt? Selbst berufsmäßige »Erinnerer«, wie Stadtrat Holger Hase, der seit Jahren in mehreren Denkmal- und Erinnerungsgremien der Stadt mitarbeitet, kann sich eben nicht erinnern, dass das Entfernen der Inschrift derart besprochen wurde. Aber selbst wenn es einen Beschluss der AG 13. Februar gegeben hätte – nichts wäre besser.
Ein Skandal bleibt es schon deshalb, weil das Gremium gar dazu legitimiert ist. Es wurde von der früheren Oberbürgermeisterin Helma Orosz ins Leben gerufen und sollte Empfehlungen zu aufkommenden Fragen geben. Die AG kann – bei allem Engagment – weder etwas beschließen, was in einem Abrissauftrag mündet, noch Neues in Auftrag geben. Nicht umsonst hat die Beigeordnete Annekatrin Klepsch inzwischen die Wahl eines »Beirates der Erinnerungskulturen« angestoßen.
Der wird jetzt eingesetzt und hat tatsächlich erstmals Befugnisse. Dass inzwischen die gleich mit entfernte Stele wieder aufgestellt ist, mag ja wie das Gutmachen eines Fehlers aussehen. Allerdings wurde bei der Gelegenheit gleich die Inschrift verändert. Noch ein Alleingang! Das Layout sei überarbeitet worden, heißt es schlicht. Und wörtlich: »Der Text wurde ämterübergreifend durch Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch angepasst. Dabei wurde auf eine konkrete Tagesnennung der stattgefundenen Leichenverbrennungen verzichtet«, weil es da unterschiedliche Angaben in den Quellen gebe. – Mag sein, nur das ist keine "Überarbeitung des Layouts", sondern Inhalt und das entscheidet eben nicht Annekatrin Klepsch.