Seitenlogo
Birgit Branczeisz

Der persönliche Abschied ist sein Beruf

- ANZEIGE - Dresden. Die Trauerkultur ist im Wandel - die Würde soll bleiben.

Maik Scholz führt die Filiale in der Nürnberger Straße, Stephanie Eltaira die in der Kesselsdorfer Straße und Rocco Stiehler ist am Bönischplatz zu finden.

Maik Scholz führt die Filiale in der Nürnberger Straße, Stephanie Eltaira die in der Kesselsdorfer Straße und Rocco Stiehler ist am Bönischplatz zu finden.

Bild: Privat

Wenn es nicht gerade um den Tod ginge, hätte man auf dieses Trio richtig Lust. Maik Scholz, Stephanie Eltaira, Rocco Stiehler lächeln in die Kamera - fürs Foto lassen sie sich immer etwas einfallen. Sie sind einfach herzlich, aber natürlich gibt es auch die stillen, ernsten Momente. Vielleicht hilft das manchem, geliebte Menschen auf dem letzten Gang zu begleiten. Das Leben ist immer weniger im Takt kirchlicher Rituale und Gebote. Der Tod ist es auch nicht. Wir brauchen aber Halt. Maik Scholz, Geschäftsführer von Chrominski Bestattungen weiß das. Gerade ist er mit seinen Mitarbeitern auf Usedom gewesen.

Von Peenemünde aus, ging es mit anderen Berufskollegen auf See - hier konnte sie sich Ablauf einer Seebestattung vor Ort erleben. Das ist schließlich ein ganz anderer Eindruck, als eine Flyer auszuhändigen. Und darum geht es zunehmend, Bestattungsformen und Riten für sich zu finden, die dem oder der Toten entsprechen. Ja, das hat auch etwas mit den Kosten zu tun. Auch Sarg- und Urnenanbieter, Friedhöfe, selbst das Krematorium haben Preise erhöht. Aber auch unser Umgang mit dem Leben hat sich geändert, hohe Feiertage werden kaum noch ursprünglich gelebt, Fixpunkte schwinden, wo der Bezug zu Religion und Kirche im Alltag verblasst.

20 Jahre ein Grab pflegen müssen, das wollen viele nicht mehr. Weil sie weit weg wohnen oder sich für solch eine Zeitspanne nicht festlegen wollen. Die Suche nach Alternativen führt zu neuen Bestattungsformen, die auch Chrominski, wo sie erlaubt sind, gern ermöglicht. Das wäre eben zum Beispiel die Seebestattung - aber auch der Natur- oder Friedwald wird gern gewählt. Ob sich Angehörige für einen Partner,- Familien- oder Gemeinschaftsbaum entscheiden, selbst einen neuen Baum pflanzen oder einen schon großen Baum aussuchen - auch da gibt es viele Varianten.

Die bekannteste, schlichte Beerdigung ist wohl die auf der Blümelwiese oder "anonyme" zum Beispiel auf dem Urnenhain Tolkewitz oder Heidefriedhof. Kirchliche Friedhöfe lehnen dieses anonyme Gehen ab, wenigstens eine Stele mit dem Namen muss es schon sein. Die Pflege übernimmt dann der Friedhof. Immerhin können Angehörige ein Sträußchen ablegen - es gibt einen Ort, an den sie gehen können. Viele unterschätzen zunächst, wie wichtig das in der eigene Trauer sein oder werden kann und sind später sozusagen totunglücklich, weil nichts geblieben ist.

Auch zum Abschiednehmen selbst stellen sich viele Fragen: Möchte ich einen Trauerredner? Soll Musik vom Band eingespielt werden oder ein Trompeter am Grab spielen? Möchte ich danach zum Essen laden oder geht man einfach auseinander? Maik Scholz würde sich wünschen, dass sich die Menschen über den eigenen Tod mehr Gedanken machen. Das hat nicht nur etwas mit den Kosten zu tun, die sich in einem Vorsorgenvertrag oder Testament beispielsweise regeln lassen - es hat einfach etwas mit der Frage zu tun: Was hätte der oder die Verstorbene gewollt?

Darüber vorher nachzudenken, entlastet die Hinterbliebenen, die ohnehin an der Trauer tragen. Über Geburtstag, Geburt und Heirat wird schließlich auch nachgedacht und sie werden immer ausgefallener und aufwendiger gefeiert. Der Tod bleibt außen vor, dabei gehört er genauso zum Leben. Wie sich unser Denken verändert hat, kann Maik Scholz gerade mancher Verfügung erkennen. Ohne die, hätte die Familie wohl nicht für die 90-jährige Oma einen Titel von Rammstein ausgesucht. Aber Oma hat es sich so gewünscht.

Natürlich werden heute vom Bestatter andere Angebote unterbreitet, als vor 20, 30 Jahren. Neben dem Ave Maria stehen auf der Musikliste die Puhdys, Andreas Gabalier, Andrea Berg oder Karat. Der oder die Verstorbene soll so gehen können, wie sie gelebt haben. Manche Angehörige fragen, ob sie Luftballons steigen lassen können, es gibt den Fingerabdruck fürs Amulett oder gar ein Handabdruck für eine Skulptur.

Wer einen geliebten Menschen immer bei sich haben möchte, lässt vielleicht Asche in einen Diamanten für einen Ring oder Anhänger pressen. Auch das gibt es. Unsere Trauer hat sich verändert. Welche Witwe trägt noch ein Jahr lang schwarz? Wo werden Tote noch wie früher üblich zu Hause aufgebahrt, wo jeder vorbeikommen und Abschied nehmen konnte? Warum auch, oft kennen sich Nachbarn kaum. Bei orthodoxen Beerdigungen ist das natürlich völlig anders, erzählt Maik Scholz.

Hier ist der Sarg bei der Trauerfeier, teils zum Grab offen, das Anfassen spielt eine wichtige Rolle. Der Beruf des Bestatters war nie so vielfältig wie heute. Maik Scholz zeigt angehenden Pflegekräften jedes Jahr, was ein Bestatter tut. Ja, mit Verstorbenen umgehen, sie zurechtmachen - früher die Aufgabe der Heimbürgin - das gehört dazu. "Man muss damit umgehen können, aber in der Pflege ist das nicht anders", sagt Scholz. 2002 hat er diese Berufung für sich entdeckt, seit 2020 ist er Geschäftsführer der Chrominski GmbH - mit dem Unternehmensziel einen würdevollen Abschied zu ermöglichen.


Meistgelesen